Aufsatz

Die Sprache verloren

Jüdische Flüchtlinge 1938 im Volksbildungsheim Herzberg bei Aarau/Schweiz Foto: dpa

Die Flüchtlingskrisen in aller Welt haben eine unübersehbar gewordene Flut an Literatur zum Thema hervorgebracht. Ein mehr als 70 Jahre altes Buch von einer zur Flucht gezwungenen Philosophin sorgt gleichzeitig für Abstand und Nähe zum Thema, bringt Theorie und Praxis in die Diskussion.

Hannah Arendts Aufsatz We Refugees erschien im Januar 1943 in der Zeitschrift »The Menorah Journal« und ist trotz einer im Rotbuch-Verlag 1986 erschienenen Übersetzung in Deutschland weitgehend unbekannt geblieben. Die jetzt zusammen mit einem lesenswerten Nachwort von Thomas Meyer erschienene Neuausgabe befasst sich in erster Linie mit der jüdischen Flucht vor den Nazis. Der kurze Text enthält aber wichtige Denkanstöße für den erst am Anfang stehenden Flüchtlingsdiskurs in der Gegenwart.

dimension Für die Grundbefindlichkeit eines jeden Flüchtlings gilt, so Hannah Arendt: »Wir haben unser Zuhause und damit die Vertrautheit des Alltags verloren. Wir haben unseren Beruf verloren und damit das Vertrauen eingebüßt, in dieser Welt irgendwie von Nutzen zu sein. Wir haben unsere Sprache verloren und damit die Natürlichkeit unserer Reaktionen, die Einfachheit unserer Gebärden und den ungezwungenen Ausdruck unserer Gefühle ...«.

In der Folge verneint die assimilierte Jüdin Arendt den Sinn von »Assimilation« – sprich: Integration – und verneint gleichzeitig mit Nachdruck die Idee des schützenden Nationalstaats. Staaten seien nicht in der Lage, Flüchtlingsprobleme zu lösen. »Die Gemeinschaft der europäischen Staaten zerbrach, als – und weil – sie den
Ausschluss und die Verfolgung seines schwächsten Mitglieds zuließ.«

Wenn inzwischen die Flüchtlingskrisen globale Dimensionen angenommen haben, nimmt die vor über 70 Jahren von Hannah Arendt angerissene Idee und inzwischen weiter entwickelte Forderung nach »weltweit egalitären Strukturen« eine aktuelle Gestalt an.

Kunst

Das jüdische Sammlerpaar Bernstein brachte »die Franzosen« nach Berlin

Die Ausstellung »Berlin.Cosmopolite« in der Liebermann-Villa am Wannsee zeigt Werke aus der Sammlung von Felicie (1852-1908) und Carl (1842-1894) Bernstein

von Sigrid Hoff  23.05.2025

London

Terroranklage gegen Rapper von »Kneecap«

Weil er bei einem Konzert eine Hisbollah-Flagge gezeigt haben soll, wird ein Rapper der nordirischen Gruppe Kneecap angeklagt. Bei Instagram bezieht die Band nun Stellung

 22.05.2025

Terrorakt in Washington

Jüdischer Journalistenverband kritisiert ARD-Berichterstattung

Die Co-Vorsitzende des Verbands fordert mehr Sorgfalt im Umgang mit Sprache im Zusammenhang mit dem Attentat

 22.05.2025

ESC-Teilnehmer JJ

Im Ton vergriffen

Dem österreichischen Sänger tue es leid, »falls meine Worte missverstanden wurden«

 22.05.2025

ESC

JJ will ESC 2026 ohne Israel

Österreichs Sieger JJ setzt sich für einen Ausschluss Israels am ESC 2026 ein

 22.05.2025

Kunst

Verzweifelte Zwischenwesen

Das Berliner Bode-Museum zeigt Paul Klees Engel im Kontext von Kriegen

von Mirjam Vomberg  22.05.2025

Eurovision Song Contest

Stärker als gedacht

Kein Land der Welt steht so häufig am Pranger wie Israel. Doch kann es sein, dass der jüdische Staat abseits von Politik und Presse viel beliebter ist als angenommen?

von Nicole Dreyfus  22.05.2025

Kolumne

Von der Verheißung zum Manöver

»Sapad«, das russische Wort für Westen – Geschichte eines Bedeutungswandels vom Vorbild zum Feindbild

von Eugen El  21.05.2025

«Märzenschnee»

Auktion mit Pechstein-Gemälde aus Besitz von Walter Rathenau

Als Walter Rathenau 1909 eine Ausstellung besuchte, kaufte er ein Gemälde: »Märzenschnee« von Max Pechstein. Nun wird das Bild versteigert, das eine interessante Geschichte hat

 21.05.2025