Lesen

Die Mutantin und die Bücher

Solomonica de Winter Foto: PR

Lesen

Die Mutantin und die Bücher

Solomonica de Winters Fantasy-Roman

von Ayala Goldmann  22.10.2022 18:50 Uhr

Sie ist die Tochter bekannter jüdischer Schriftsteller: Die Niederländerin Solomonica de Winter (25) hat gerade ihr zweites Buch veröffentlicht – im selben Verlag, der auch ihre Eltern Leon de Winter und Jessica Durlacher für die deutschen Ausgaben unter Vertrag hat. Wer allerdings den Verdacht hegt, hier seien Beziehungen und nicht Talent am Werk, wird durch die Lektüre von de Winters Fantasy-Roman Das Gesetz der Natur eines Besseren belehrt.

Dabei sollte sich die Leserin nicht durch den pathetisch überhöhten Einstieg (»Nun, das ist die erste Epoche von Anbeginn der Welt, höre, das ist die erste Epoche, auf dass du es niemals vergessen mögest«), die ersten anstrengenden zehn Seiten und den sehr eigenen Stil (inklusive einiger Fehlgriffe in der Wortwahl) abschrecken lassen. Denn die dystopische Geschichte entwickelt über insgesamt 175 Kapitel und fast 600 Seiten einen echten Sog und bleibt spannend bis zum Schluss.

plot De Winter, die schon als 17-Jährige mit dem Roman Die Geschichte von Blue (2014) bei Diogenes debütierte, hat einen archaischen Plot entworfen: Nach einer nicht näher beschriebenen (Nuklear-)Katastrophe kämpfen die Überlebenden in Neuamerika in rivalisierenden Stämmen um Land und Einfluss.

Heldin der Geschichte ist die Außenseiterin Gaia Marinos, eine durch die Katastrophe körperlich schwer geschädigte Mutantin. Sie lebt in der Wildnis und wird wider Willen von einem Jäger geschwängert. Die todgeweihte werdende Mutter (alle Mutanten müssen nach dem grausamen »Gesetz der Natur« unter Quarantäne gestellt und dann getötet werden) kämpft gegen zahlreiche Gegner um ihr Leben und das ihres Kindes.

Was Gaia rettet, ist eine Fähigkeit, die in der neuen Welt nur Auserwählte erlernen dürfen: Lesen und Schreiben. »Finde sie. Finde die letzten Bücher aus der alten Welt«, lautet der Auftrag an die Mutantin. Wird sie ihn erfüllen? Das Gesetz der Natur ist der erste Teil einer Trilogie. Auch für eine Verfilmung würde der Stoff gut taugen. Ayala Goldmann

Solomonica de Winter: »Das Gesetz der Natur«. Aus dem Amerikanischen von Meredith Barth. Diogenes, Zürich 2022, 608 S., 25 €

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Rache

»Trigger-Thema« für Juden

Ein Filmseminar der Jüdischen Akademie untersuchte das Thema Vergeltung als kulturelle Inszenierung

von Raquel Erdtmann  01.12.2025

Wuppertal

Schmidt-Rottluff-Gemälde bleibt in Von der Heydt-Museum

»Zwei Frauen (Frauen im Grünen)« von Karl Schmidt-Rottluff kann im Von der Heydt Museum in Wuppertal bleiben. Nach Rückgabe an die Erbin erwarb die Stadt das Bild von ihr. Vorausgegangen waren intensive Recherchen zur Herkunft

 01.12.2025

Dorset

»Shakespeare In Love« - Dramatiker Tom Stoppard gestorben

Der jüdische Oscar-Preisträger war ein Meister der intellektuellen Komödie. Er wurde 88 Jahre alt

von Patricia Bartos  01.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Fernsehen

Abschied von »Alfons«

Orange Trainingsjacke, Püschelmikro und Deutsch mit französischem Akzent: Der Kabarettist Alfons hat am 16. Dezember seine letzte Sendung beim Saarländischen Rundfunk

 30.11.2025 Aktualisiert

Gerechtigkeit

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz 

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz Jahrzehnte nach Ende des NS-Regimes hoffen Erben der Opfer immer noch auf Rückgabe von damals geraubten Kunstwerken. Zum 1. Dezember starten Schiedsgerichte. Aber ein angekündigter Schritt fehlt noch

von Verena Schmitt-Roschmann  30.11.2025

Berlin

Späte Gerechtigkeit? Neue Schiedsgerichte zur NS-Raubkunst

Jahrzehnte nach Ende der Nazi-Zeit kämpfen Erben jüdischer Opfer immer noch um die Rückgabe geraubter Kunstwerke. Ab dem 1. Dezember soll es leichter werden, die Streitfälle zu klären. Funktioniert das?

von Cordula Dieckmann, Dorothea Hülsmeier, Verena Schmitt-Roschmann  29.11.2025

Interview

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  29.11.2025