Geschichte

»Die Dokumente sind echt«

David M. Crowe Foto: dpa

Herr Crowe, am Mittwochabend hat das Auktionshaus »RR Auction« Dokumente von Oskar Schindler versteigert. Um welche Papiere handelt es sich?
Es sind insgesamt vier Dokumente. Zum einen ein Bauplan sowie ein finanzielles Angebot von Siemens. Zum anderen ein Begleitschreiben, von Schindler unterzeichnet, das seinen polnischen Mitarbeiter Adam Dziedzic bevollmächtigt, den Umzug der Firma nach Brnenec zu vollziehen, sowie eine Bescheinigung für die Allgemeine Ortskrankenkasse.

Was ist daran so interessant?
Die Dokumente sind sehr detailliert. Inmitten der Schrecken des Zweiten Weltkriegs gab es ein Alltagsgeschäft. Wichtig allerdings ist: Ohne diese Bescheinigungen hätte es keine Liste gegeben.

Wie haben Sie diese Dokumente überprüft?
Ich wurde vom Auktionshaus angefragt, und man hat mir Kopien der Dokumente geschickt. Mir wurde sogar angeboten, die Originalpapiere zu bekommen, aber das habe ich abgelehnt. Dafür würde ich ungern die Verantwortung übernehmen. Ich habe das Auktionshaus geprüft – es hat einen guten Ruf. Sie hatten bereits das Papier und die Unterschrift. Ich habe selbst viele Kopien von Schindler-Briefen. Meine Aufgabe war es, die Dokumente, die versteigert werden, in den historischen Zusammenhang einzuordnen. Ich war mir zu 99,9 Prozent sicher, dass es echte Dokumente sind.

Vor Kurzem wurde eine Kopie der bekannten Liste von Oskar Schindler beim Online-Auktionshaus eBay angeboten. Sind solche Plattformen die geeigneten Orte, um historische Dokumente zu versteigern?
Darüber waren die Polen sehr aufgebracht. Ich selbst bin bei eBay nicht aktiv, es macht mich nervös. Aber man muss sich natürlich die ethische Frage stellen. In allen meinen Recherchen über Schindler habe ich Dokumente gesehen, die noch niemand kennt und die ich meiner Universität übergeben werde. Das, denke ich, sollte mit diesen Sachen geschehen. Man sollte Wissenschaftlern die Möglichkeit geben, sich damit auseinanderzusetzen.

Woher kommen eigentlich die Dokumente, die Auktionshäuser anbieten?
Die Liste, die bei eBay angeboten wurde, kam über mehrere Ecken von der Familie Itzhak Sterns. Zu den Sets, die nun versteigert werden, bekam ich einen Brief auf Polnisch. 2001 hat Dziedzics Familie in Krakau die Dokumente an jemanden verkauft. Ich kritisiere das nicht. Die Angehörigen von Itzhak Stern waren selbst schon sehr alt – vielleicht brauchten sie Geld. Das Gleiche gilt für Dziedzics Familie.

Haben Sie die Auktion beobachtet?
Ein wenig, aber ich habe nicht wirklich Zeit dafür. Das Auktionshaus hat in einem Statement gesagt, dass jedes Dokument mindestens 50.000 Dollar wert wäre. Und dass die Gebote in den letzten 24 Stunden noch einmal ansteigen würden.

Gibt es das eine historische Schindler-Dokument, das wirklich wertvoll wäre?
Die Original-Listen der Männer und der Frauen, die um den 21./22. Oktober 1944 erstellt wurden, könnten viel wert sein. Nur von der bekannten Schindler-Liste gibt es mehrere Abschriften.

Wer sollte Ihrer Meinung nach die Dokumente erhalten?
Meine erste Wahl wäre Yad Vashem, denn 300 »Schindler-Juden« sind nach 1945 nach Israel gegangen. Nach dem Krieg war das Leben von Schindler mehr als durcheinander. Und die »Schindler-Juden« haben ihm von 1945 bis zu seinem Tod geholfen. Als das Auktionshaus mich bat, diese Dokumente zu prüfen, hatte ich sie gefragt: »Haben Sie das Jüdische Museum in Berlin oder das Holocaust-Museum in Washington kontaktiert?« Sie sollten die Möglichkeit bekommen, darauf zu bieten.

Mit dem Historiker sprach Katrin Richter.

David M. Crowe ist Historiker an der Elon University. Von 1990 bis 2004 war er Mitglied im Education Committee of the United States Holocaust Memorial Museum in Washington. Crowe hat eine Biografie zu Oskar Schindler geschrieben.

Erhebung

Dieser hebräische Babyname ist in Deutschland am beliebtesten

Welche Namen geben Eltern ihren Sprösslingen in diesem Jahr am liebsten? In welchen Bundesländern gibt es Abweichungen?

 30.12.2025

Forum

Leserbriefe

Kommentare und Meinungen zu aktuellen Themen der Jüdischen Allgemeinen

 28.12.2025

Film

Spannend, sinnlich, anspruchsvoll: »Der Medicus 2«

Nach zwölf Jahren kommt nun die Fortsetzung des Weltbestsellers ins Kino

von Peter Claus  25.12.2025

ANU-Museum Tel Aviv

Jüdische Kultobjekte unterm Hammer

Stan Lees Autogramm, Herzls Foto, das Programm von Bernsteins erstem Israel-Konzert und viele andere Originale werden in diesen Tagen versteigert

von Sabine Brandes  25.12.2025

Menschenrechte

Die andere Geschichte Russlands

»Wir möchten, dass Menschen Zugang zu unseren Dokumenten bekommen«, sagt Irina Scherbakowa über das Archiv der von Moskau verbotenen Organisation Memorial

 25.12.2025

Rezension

Großer Stilist und streitbarer Linker

Hermann L. Gremliza gehört zu den Publizisten, die Irrtümer einräumen konnten. Seine gesammelten Schriften sind höchst lesenswert

von Martin Krauß  25.12.2025

Glastonbury-Skandal

Keine Anklage gegen Bob-Vylan-Musiker

Es lägen »unzureichende« Beweise für eine »realistische Aussicht auf eine Verurteilung« vor, so die Polizei

 24.12.2025

Israel

Pe’er Tasi führt die Song-Jahrescharts an

Zum Jahresende wurde die Liste der meistgespielten Songs 2025 veröffentlicht. Eyal Golan ist wieder der meistgespielte Interpret

 23.12.2025

Israelischer Punk

»Edith Piaf hat allen den Stinkefinger gezeigt«

Yifat Balassiano und Talia Ishai von der israelischen Band »HaZeevot« über Musik und Feminismus

von Katrin Richter  23.12.2025