Antisemitismusvorwürfe

Deutsche Welle trennt sich von fünf Mitarbeitern

Der aus Steuermitteln finanzierte Sender sah sich in jüngster Zeit schweren Vorwürfen ausgesetzt. Foto: imago images/blickwinkel

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sowie Ahmad und Beatrice Mansour fanden deutliche Worte. »Zum Teil klassische antisemitische Bilder, bis hin zur Leugnung und Relativierung des Holocaust« hätten Mitarbeiter der Deutschen Welle (DW) zwar als Privatpersonen, aber auf öffentlich zugänglichen Webseiten und in sozialen Netzwerken gepostet. Auch Israels Existenzrecht sei negiert worden.

Die frühere Bundesjustizministerin und jetzige nordrhein-westfälische Antisemitismusbeauftragte und das Ehepaar waren Mitte Dezember von der DW-Geschäftsleitung gebeten worden, Vorwürfe antisemitischer Äußerungen von Mitarbeitern der 200-köpfigen arabischsprachigen Redaktion des Senders genauer zu untersuchen.

INTERNE KONFLIKTE Das sei, so betonten die drei, kein einfaches Unterfangen gewesen. Nicht nur, weil die Zeit knapp war. Sondern auch, weil die 200 Mitarbeiter umfassende arabische Redaktion »tief gespalten« sei und es dort zahlreiche interne Konflikte gebe, die mit dem Thema Antisemitismus gar nicht in Verbindung stünden.

Das räumte auch Intendant Peter Limbourg ein – und teilte mit, man werde sich von fünf Mitarbeitern der arabischsprachigen Redaktion trennen. Zudem habe der zuständige Redaktionsleiter um die Entbindung von seinen Aufgaben gebeten. Dem sei stattgegeben worden.

Die drei externen Prüfer sprachen im Zuge ihrer Untersuchung mit insgesamt 30 Personen. Auch den in den Medienberichten Beschuldigten sei Gelegenheit gegeben worden, sich zu äußern, nicht alle hätten sich aber äußern wollen, erklärte Ahmad Mansour. Einige hätten Angst gehabt, sich den Prüfern zu offenbaren.

NEUE FÄLLE Die Kommission habe neben den fünf von Medien aufgegriffenen Fällen acht weitere ermittelt, die sich im Grenzbereich zum Antisemitismus befänden, erklärte er. Hier müsse die DW-Führung jetzt entscheiden, ob sie arbeitsrechtliche Schritte für notwendig erachte. Peter Limbourg bestätigte dies und gab bekannt, DW-intern seien zudem drei Prüffälle hinzugekommen, die man genauer unter die Lupe nehmen werde.

Noch bevor der Leutheusser-Schnarrenberger/Mansour-Bericht überhaupt veröffentlicht war, hatte die DW-Führung die Trennung von fünf Mitarbeitern eingeleitet. Am Montagvormittag teilte eine freie Mitarbeiterin via Twitter mit, ihr sei »ohne weitere Erklärung« gekündigt worden.

Einem Bericht der Tageszeitung »Die Welt« zufolge soll sich die für die DW seit 2017 tätige Journalistin in mehreren Beiträgen ausfällig gegenüber Israel geäußert haben. So habe sie in der arabischen Onlinezeitung »Rai Alyoum« 2014 Israel mit »Krebsgeschwür« verglichen, das »herausgeschnitten« werden müsse, berichtete das Blatt. Ferner habe sie geäußert, sie würde sich der Terrororganisation »Islamischer Staat« anschließen, wenn man so die Israelis aus dem Heiligen Land hinausgeworfen werden könnten.

Eine weitere Mitarbeiterin der arabischen Redaktion postete ebenfalls am Montag ein Bild von sich einem arabischen Untertitel. Darin suggerierte sie, die Deutsche Welle habe sich von ihr getrennt, »weil ich Palästinenserin bin«.

WIDERSPRUCH Limbourg hatte dieser Zeitung in einem Interview Mitte Dezember gesagt, man werde beim Personal künftig sehr genau hinschauen. »Wenn es bei uns vereinzelt Mitarbeiter gibt, die beim Thema Israel die Trennschärfe zwischen Hetze und Kritik nicht kennen, müssen wir darauf entschlossen reagieren«, so der Intendant. Limbourg weiter: »Wir werden künftig schnell und hart durchgreifen, wenn es zu einem weiteren Fall kommen sollte«. Sein Sender werde Antisemitismus und Israel-Hass nicht tolerieren.

Mansour und Leutheusser-Schnarrenberger fanden in ihrem Bericht aber keinen »strukturellen Antisemitismus« innerhalb der arabischen DW-Redaktion, sondern eher ein »punktuelles Fehlverhalten«. Die allermeisten Mitarbeiter lehnten Judenhass, Rassismus und Homophobie eindeutig ab und sähen sich den Grundsätzen der Deutschen Welle verpflichtet.

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Mit einigen der zahlreichen Partnerorganisationen der Deutschen Welle in der arabischen Welt gingen die Prüfer aber hart ins Gericht und empfahlen, die Zusammenarbeit zu beenden. So sei die palästinensische Nachrichtenagentur »Ma’an« wegen ihrer »sehr antisemitischen Haltung in Bezug auf Israel« kein geeigneter Partner für den deutschen Sender. Bei anderen umstrittenen Sendern wie dem jordanischen Roya-TV sehen die drei dagegen Potenzial für Verbesserung. Hier solle man den Dialog suchen, so Ahmad Mansour – allerdings müsse die Deutsche Welle klar kommunizieren, was tolerierbar sei und was nicht.

Seine Frau Beatrice forderte die Geschäftsführung auf, mehr Mitarbeiter fest einzustellen und diese dann durch ein kluges Onboarding auch zu integrieren und so die Werte des Senders zu vermitteln. Bislang sind mehr als zwei Drittel der arabischen DW-Redaktion freie Mitarbeiter. Zu einer Veränderung der Kultur im Sender gehörten auch klare Richtlinien, Schulungen, Israel-Besuche und Besuche in KZ-Gedenkstätten, so die Politik- und Rechtswissenschaftlerin. Eingehende Bewerbungen sollten über ein »kriteriengeleitetes Rekrutierungsverfahren evaluiert werden«, forderte Mansour.

zentralrat Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, hat die Deutsche Welle dazu aufgefordert, die am Montag vorgestellten Empfehlungen externer Gutachter zu den Antisemitismus-Vorfällen bei Mitarbeitern und Partnern des Auslandssenders rasch umzusetzen.

Aus Sicht des Zentralrats wäre die Annahme der IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus »ein erster wichtiger Schritt«. Auch die Empfehlung der Gutachter, gerade Mitarbeiter aus dem arabischen Raum zu den Themen Israel, Schoa und Antisemitismus gezielt zu schulen, sei zu begrüßen.

Der Zentralrat regte zudem die Berufung eines »Werte-Beauftragten« als Vertrauensperson an, bei dem Fälle von Antisemitismus und Israelhass gemeldet werden können. »So wie bisher darf es nicht weitergehen«, betonte Josef Schuster. »In einem Vierteljahr sollte die Deutsche Welle einen ersten Bericht vorlegen, der über die getroffenen Maßnahmen Auskunft gibt. Gebührenfinanzierten Israel-Hass und Antisemitismus in den Medien darf es nicht geben.«

reichweite Der Vorsitzende des DW-Rundfunkrats, der katholische Prälat Karl Jüsten, legte den Finger in eine weitere Wunde, den Kampf um mehr Reichweite und höhere Nutzerzahlen. »Die Berichte in den Medien haben uns die Augen geöffnet«, sagte er bei der Online-Pressekonferenz am Montag. »Reichweite darf kein Argument sein, das über allem steht. Die Deutsche Welle ist Werten verpflichtet, insbesondere dem Kampf gegen den Antisemitismus«, betonte Jüsten.

Der Fall Deutsche Welle wird auch noch ein parlamentarisches Nachspiel haben. Am 16. Februar will sich der Kulturausschuss des Bundestages mit der Kritik an dem öffentlich-rechtlichen Sender befassen. DW-Intendant Limbourg muss dann den Abgeordneten in nichtöffentlicher Sitzung Rede und Antwort stehen. Das teilte die Ausschussvorsitzende, die SPD-Parlamentarierin Katrin Budde, der Jüdischen Allgemeinen auf Nachfrage mit.

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Ahmad Mansour sieht in dem Antisemitismusskandal auch ein Gutes. Die Deutsche Welle könne jetzt, wenn sie es ernst meine, »zu einem Vorbild werden für andere Medienhäuser, die mit den gleichen Herausforderungen zu tun haben«, sagte er. Und drückte seine Hoffnung aus, bei anderen Medien ein Nachdenken ausgelöst zu haben. Man habe es hier keineswegs nur mit einem Problem zu tun, dass sich auf den arabischsprachigen Raum beschränke. Auch bei ARD und ZDF gebe es Fälle, so Mansour, »die zu reflektieren sind«.

Einen »Generalverdacht« wolle er dennoch nicht in die Welt setzen, betonte der Psychologe, der als Araber in Israel aufwuchs. Er erwarte jetzt aber »viel Widerspruch aus der arabischen Welt«, so Mansour.

Der ließ am Montag nicht lange auf sich warten. Auf Twitter behaupteten zahlreiche Nutzer, mit den Entlassungen wolle die Deutsche Welle die Stimme der Palästinenser »zum Schweigen bringen«.

Der Bericht der Expertenkommission ist auf der Webseite der Deutschen Welle veröffentlicht.

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