Kunst

Der zerbrochene Spiegel

Leo Maillet Foto: Nachlass Léo Maillet, Dauerleihgabe der Adolf und Luisa Haeuser-Stiftung

Kunst

Der zerbrochene Spiegel

Das Jüdische Museum Frankfurt widmet dem Maler und Grafiker Léo Maillet eine Kabinettausstellung

von Eugen El  28.07.2025 17:29 Uhr

Als die rettende Flucht in greifbare Nähe rückte, schaute Léo Maillet in einen zerbrochenen Rasierspiegel. Der Anblick seines fragmentierten Gesichts im geborstenen Spiegelglas muss den Künstler derart fasziniert haben, dass er das Bild in Tusche festhielt, bevor er mithilfe der christlichen Hilfsorganisation Cimade aus Südfrankreich in die Schweiz fliehen konnte. 27 Jahre später nutzte Maillet die 1944 entstandene Tuschzeichnung als Vorlage für seine Radierung »Der zerbrochene Spiegel«.

So heißt auch die Kabinettausstellung, die das Jüdische Museum Frankfurt dem 1902 als Leopold Mayer geborenen Maler und Grafiker widmet. Noch bis 16. November ist die Schau zu sehen. Ihr Titel ist programmatisch für Maillets gebrochene Biografie.

Nach dem Krieg konnten die meisten nicht mehr an frühere Erfolge anknüpfen.

1930 wurde er Meisterschüler von Max Beckmann an der Frankfurter Kunstgewerbeschule, der heutigen Städelschule. Léo Maillet war Teil der »verlorenen Generation«, deren Kunst im Nationalsozialismus als »entartet« galt. Nach dem Krieg konnten die meisten nicht mehr an frühere Erfolge anknüpfen und fremdelten oftmals mit der nun dominierenden Abstraktion.

Maillet wurde als Jude verfolgt. 1935 zog er nach Paris, wo er sich bis zum Kriegsbeginn als Fotograf und Druckgrafiker etablieren konnte. Seine dort entstandenen Bilder und Druckplatten wurden von den Nazis zerstört, wie die in Frankfurt zurückgelassenen Bilder. Léo Maillet wurde mehrfach interniert. 1942 konnte er dem fahrenden Deportationszug nach Auschwitz entfliehen.

Unruhig wirkende Menschen auf einem beengten, mit Stacheldraht eingezäunten Platz: Seine Erfahrung im Internierungslager hielt Maillet in Tusche fest. 1971 entstand eine darauf basierende Radierung. Seine auf der Flucht und in Lagern geschaffenen Skizzen verarbeitete der Künstler in zahlreichen weiteren Bildern.

Bis zu seinem Tod 1990 lebte Léo Maillet in der Schweiz. Nachdem seine Werke Teil der Ausstellung Der gesprengte Kreis – Die Schülerinnen und Schüler Max Beckmanns in Hofheim am Taunus waren, erfährt Maillets Künstlerleben nun eine weitere überfällige Würdigung.

Literatur

Brillant und lakonisch

Zum 80. Geburtstag des Nobelpreisträgers Patrick Modiano, dessen Werke immer wieder nach Verschwundenen suchen

von Ellen Presser  28.07.2025

Design

Pionierinnen des guten Geschmacks

Das Jüdische Museum Berlin entreißt Künstlerinnen der Vergessenheit – und schließt eine Leerstelle in der deutsch-jüdischen Kulturgeschichte

von Maria Ossowski  28.07.2025

Nahost

Mit Fakes gegen Israel

Mit emotionalen Bildern von ausgehungerten Kindern wird in den sozialen Medien Stimmung gegen Israel gemacht. Doch viele der Bilder erweisen sich als Propaganda

von Imanuel Marcus  28.07.2025

TV-Tipp

»Spionagefall Robert Oppenheimer« stellt aufwühlende Fragen

Kurz vor dem 80. Jahrestag der Atombombenabwürfe auf Japan befasst sich ein Arte-Dokumentarfilm mit der komplizierten Lebensgeschichte des Mannes, unter dessen Leitung die verheerende Waffe entwickelt wurde

von Christian Bartels  28.07.2025

Nachruf

So long, Tom Lehrer

Der Satiriker und Mathematiker Tom Lehrer ist im Alter von 97 Jahren gestorben

 28.07.2025

Sommerferien

Tut endlich nichts!

Therapeuten geben Tipps, wie Urlaub mit Kindern auch für Eltern entspannend sein kann

von Nicole Dreyfus  27.07.2025

Erinnerungskultur

Wolfram Weimer will neues Gedenkstättenkonzept vorlegen

In der vergangenen Legislaturperiode war ein Gedenkstättenkonzept gescheitert. Der Kulturstaatsminister nimmt nun einen neuen Anlauf

 25.07.2025

Literatur

»What’s with Baum?«: Woody Allens erster Roman

Das Erstlingswerk soll wenige Monate vor Allens 90. Geburtstag erscheinen

von Imanuel Marcus  24.07.2025

Zahl der Woche

932.097

Fun Facts und Wissenswertes

 24.07.2025