Nachruf

Der Vater des Medicus

Machte das Storytelling zu seinem Beruf: der Schriftsteller Noah Gordon (1926–2021) Foto: imago/Marius Schwarz

»Ein geborener Geschichtenerzähler« – so charakterisierte die amerikanische Verlegerin Jane Friedman einmal den Schriftsteller Noah Gordon. Hierzulande wurde er vor allem mit dem 1987 auf Deutsch erschienenen Historienroman Der Medicus bekannt. Das Buch entwickelte sich in Deutschland, wie auch in Spanien und anderorts, zum Bestseller, während es in Gordons Heimat, den Vereinigten Staaten, vergleichsweise wenig Anklang fand.

Geboren wurde Gordon am 11. November 1926 in Worcester, Massachusetts, in eine amerikanisch-jüdische Familie. Seinen Vornamen erhielt er im Andenken an den wenige Monate zuvor verstorbenen Großvater mütterlicherseits, Noah Melnikoff. Als Heranwachsender war Gordon von seiner Großfamilie und deren Erzählungen vom Leben im osteuropäischen Schtetl und den Mietskasernen New Yorks umgeben.

studium Seine Eltern wollten, dass er Medizin studiert. Doch Noah Gordon machte das Storytelling zum Beruf – ohne den Wunsch seiner Eltern vollständig zu ignorieren. Er studierte Journalistik und Kreatives Schreiben, arbeitete zunächst als Verlagslektor und ab 1959 als Redakteur beim »Boston Herald«.

Als Journalist schrieb Gordon vor allem über Wissenschaft und Medizin – er recherchierte auch in OP-Sälen und berichtete über Autopsien. Doch er wollte, wie auf Gordons Webseite zu lesen ist, nie den Traum aufgeben, ein ernst zu nehmender Romancier zu werden.

Seine Eltern wollten, dass er Medizin studiert.

Sein erster umfangreicher Roman, Der Rabbi, erschien 1965 und stand 26 Wochen lang auf der Bestsellerliste der »New York Times«. Das Buch habe er, erinnerte sich Gordon einst, aus seinen eigenen Erfahrungen als Mitglied einer amerikanisch-jüdischen Familie geschrieben. Es handelt von einer interkonfessionellen, jüdisch-christlichen Ehe und deren Konsequenzen im Amerika der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

1986 erschien mit dem Medicus der erste Teil einer Trilogie über den englischen Arzt und Heiler Rob Cole, der im 11. Jahrhundert bis nach Persien reist, wo »der berühmteste aller Ärzte« lehrt. Für den Roman recherchierte Gordon ausschließlich in Bibliotheken. Der Medicus verkaufte sich in Deutschland zeitweise genauso gut wie die Romane von Stephen King.

fanpost Die Erfolgsgeschichte setzte sich auch in Europa und Asien fort. Gordon berichtete einmal, dass er sogar Fanpost aus Ägypten und dem Iran erhielt, wo ein Guide ausländische Touristen an die im Roman erwähnten Orte führte. Einmal soll ihn sogar die Anfrage eines unautorisierten chinesischen Übersetzers erreicht haben, der sich nach einem jüdischen Begriff erkundigen wollte und die Chuzpe hatte, sich direkt an Gordon zu wenden.

Für den »Medicus« recherchierte Gordon ausschließlich in Bibliotheken.

Auch die Folgeromane Der Schamane (1992) und Die Erben des Medicus (1995) waren in Deutschland beliebt. So verwundert es nicht, dass Der Medicus 2013 von Ufa Cinema in Kooperation mit der ARD verfilmt wurde.

Die Ankündigung der Verfilmung findet sich auch auf Noah Gordons Webseite, deren letzte Aktualisierung aus dem Jahr 2011 stammt. Zuletzt wurde es ruhiger um den Bestsellerautor.

lebensabend Noah Gordon verbrachte seinen Lebensabend in einer Seniorenresidenz, wo er die von ihm und seiner Frau gestiftete Bibliothek betreute. Am 11. November beging er, wie es in einer Instagram-Mitteilung seiner Familie hieß, »mit viel Freude seinen 95. Geburtstag und war dankbar für das lange und fruchtbare Leben, das er gelebt hat«.

Am Montag ist Noah Gordon zu Hause gestorben. Seine Familie teilte mit: »Noahs Leben und Werk haben das Leben von Millionen von Lesern auf der ganzen Welt berührt. Sein Werk lebt weiter.«

Washington D.C.

Trump sorgt mit Angriffen auf ermordeten Rob Reiner für Empörung

Der jüdische Regisseur sei an einem »Trump-Verblendungssyndrom« gestorben, schreibt der Präsident. Dafür erntet er seltene Kritik aus den eigenen Reihen

 16.12.2025

Nachruf

Filmproduzent mit Werten

Respektvoll, geduldig, präzise: eine Würdigung des sechsfachen Oscar-Preisträgers Arthur Cohn

von Pierre Rothschild  15.12.2025

Meinung

Xavier Naidoos antisemitische Aussagen? Haken dran!

Der Mannheimer Sänger füllt wieder Konzertsäle. Seine Verschwörungserzählungen über Juden und holocaustrelativierenden Thesen scheinen kaum noch jemanden zu stören

von Ralf Fischer  15.12.2025

Los Angeles

Bestürzung über Tod von Rob Reiner und Ehefrau Michele

Der jüdische Regisseur und seine Frau wurden tot in ihrem Haus aufgefunden. Die Polizei behandelt den Fall als mögliches Tötungsdelikt

 15.12.2025

Justiz

Gericht: Melanie Müller zeigte mehrmals den Hitlergruß

Melanie Müller steht erneut vor Gericht: Die Schlagersängerin wehrt sich gegen das Urteil wegen Zeigens des Hitlergrußes und Drogenbesitzes. Was im Berufungsverfahren zur Debatte steht

von André Jahnke  14.12.2025

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  14.12.2025

Nachruf

Trauer um Hollywood-Legende Arthur Cohn

Arthur Cohn war immer auf der Suche nach künstlerischer Perfektion. Der Schweizer Filmproduzent gehörte zu den erfolgreichsten der Welt, wie seine Oscar-Ausbeute zeigt

von Christiane Oelrich  12.12.2025

Computerspiel

Lenny Kravitz wird James-Bond-Bösewicht

Als fieser Schurke will der Musiker im kommenden Jahr dem Agenten 007 das Leben schwer machen – allerdings nicht auf der Kinoleinwand

 12.12.2025

Berlin

Jüdisches Museum bekommt zusätzliche Förderung

Das Jüdische Museum in Berlin gehört zu den Publikumsmagneten. Im kommenden Jahr feiert es sein 25. Jubiläum und bekommt dafür zusätzliche Mittel vom Bund

 12.12.2025