Film

Der Schneider und der Mafiaboss

John Gumley-Mason und Mark Rylance (r.) Foto: IMAGO/Prod.DB

Es ist von vorneherein klar, dass da etwas im Busch sein muss bei Leonard (Mark Rylance), dem Maßschneider, »nicht Schneider«, wie der Mann nicht müde wird zu betonen. Er gibt sich kontrolliert, very British wie die Figur des Alfred aus den Batman-Filmen, und genießt das Vertrauen der örtlichen Gangster. »Hey English« rufen die Mafiosi in ihren Al-Capone-Hüten und breitschultrigen Mänteln den Engländer.

The Outfit heißt der Film, mit dem der jüdische Schriftsteller und Autor Graham Moore, der für sein Drehbuch zu The Imitation Game einen Oscar gewonnen hat, sein Regiedebüt gibt. Der Titel ist Programm: Alles ist stilvoll, die Kleider, die von Leonard zu perfekten Quadraten gefalteten Seidentücher, der jazzige Soundtrack, das Interieur im Laden »L. Burling. Bespoke« des Maßschneiders, den das Kammerspiel nicht verlässt.

LADEN »Chicago 1956«, verrät zu Beginn ein Insert, bevor wir mit der Kamera den Laden betreten. Der vor den Nazis und der Blue-Jeans-Mode aus der weltberühmten Londoner Savile Row nach Chicago geflohene Maßschneider produziert für den Mafiaboss Roy Boyle (Simon Russell Beale), der Leonards Diskretion und ein Hinterzimmer im Laden für den Austausch geheimer Botschaften nutzt.

Die Ereignisse überschlagen sich, als Roys schwer verletzter Sohn Richie (Dylan O’Brien) und der Killer Francis (Johnny Flynn) nachts in den Laden poltern. Der Plot ist einfach, verknotet sich aber durch offensichtliche und weniger offensichtliche Lügengeschichten zusehends.

THEATER Wie die Figuren hier kommen und gehen, Auftritt, Abtritt, das hat etwas Theaterhaftes, und auch, dass Moore seinen Film als dialoglastigen Whodunit, quasi wie einen düsteren Agatha-Christie-Bruder, inszeniert, passt ins Bild. The Oufit ist ein klassisch daherkommendes filmisches Spiel: damit, dass Worte ein machtvolles Instrument sind und dass Kleider zwar Leute machen, aber eben auch Fassade sind.

Wer ist die Ratte in den eigenen Reihen? Um diese Frage entspinnt sich ein arg gewolltes Verwirrspiel. Die Suspense im Laden verpufft nach und nach durch die vielen Haken, die das Drehbuch schlägt. Leider ist der filmische Anzug, den Moore in seinem Debüt schneidert, etwas zu groß und gekünstelt geraten. Dennoch macht es Freude, Rylance in der auf ihn zugeschnittenen Rolle und Zoey Deutch als seiner Assistentin, von der man gerne mehr gesehen hätte, zuzuschauen.

»The Outfit« läuft seit dem 26. Mai in den Kinos.

Potsdam

Chronist der neuen Weiblichkeit

Das Museum Barberini zeigt Modiglianis Menschenbilder in neuem Licht

von Sigrid Hoff  25.04.2024

München

Ausstellung zeigt Münchner Juden im Porträt

Bilder von Franz von Lenbach und anderen sind zu sehen

 25.04.2024

Los Angeles

Barbra Streisand: Lovesong als Zeichen gegen Antisemitismus

Für die Serie »The Tattooist of Auschwitz« singt sie das Lied »Love Will Survive«

 25.04.2024

Kommentar

AfD in Talkshows: So jedenfalls nicht!

Die jüngsten Auftritte von AfD-Spitzenpolitikern in bekannten Talk-Formaten zeigen: Deutsche Medien haben im Umgang mit der Rechtsaußen-Partei noch viel zu lernen. Tiefpunkt war das Interview mit Maximilian Krah bei »Jung & Naiv«

von Joshua Schultheis  24.04.2024

Meinung

Der Fall Samir

Antisemitische Verschwörungen, Holocaust-Relativierung, Täter-Opfer-Umkehr: Der Schweizer Regisseur möchte öffentlich über seine wirren Thesen diskutieren. Doch bei Menschenhass hört der Dialog auf

von Philipp Peyman Engel  22.04.2024

Essay

Was der Satz »Nächstes Jahr in Jerusalem« bedeutet

Eine Erklärung von Alfred Bodenheimer

von Alfred Bodenheimer  22.04.2024

Sehen!

Moses als Netflix-Hit

Das »ins­pirierende« Dokudrama ist so übertrieben, dass es unabsichtlich lustig wird

von Sophie Albers Ben Chamo  22.04.2024

Immanuel Kant

Aufklärer mit Ressentiments

Obwohl sein Antisemitismus bekannt war, hat in der jüdischen Religionsphilosophie der Moderne kein Autor mehr Wirkung entfaltet

von Christoph Schulte  21.04.2024

TV

Bärbel Schäfer moderiert neuen »Notruf«

Die Autorin hofft, dass die Sendung auch den »echten Helden ein wenig Respekt« verschaffen kann

von Jonas-Erik Schmidt  21.04.2024