Finale

Der Rest der Welt

Meine Kinder haben es ja nicht so mit Obst. Sie sind eigentlich mehr Erdnussflips- und Gummibären orientiert und neigen ansonsten dazu, sämtliche Nahrungsmittel vor dem Verzehr in Nutella zu dippen. Gut, dass es Tu Bischwat gibt: das Fest der Fruchtgelees und Erdbeermilchshakes. Jedenfalls stehen dann endlich ein paar Vitamine auf dem Speiseplan.

Dieses Jahr werden wir mal sehen, was das Chabad Center auf dem Programm hat, denn die ewigen Obst-Spieße und Rosinen-Kettchen des Kindergartens gehen mir langsam auf den Geist. Und bei Chabad sind sie ja immer so professionell, kreativ und haben immer tolle neue Ideen. Dieses Mal haben sie eine echte Olivenölpresse aus Israel oder den Obstsalat-Wettbewerb.

Pfirsichkerne Weil es an diesem Sonntag regnet, ist das Center rappelvoll, es gibt im ganzen Block keinen freien Parkplatz mehr, darum sind wir etwas spät dran. Die Türen öffnen sich und geben den Blick frei auf ein Obstsalat-Inferno: Bananenschalen bedecken zentimeterdick den Boden, Apfelreste und Pfirsichkerne säumen das Blickfeld. Ab und zu rutscht ein kreischendes Kleinkind auf einer Bananenschale aus. Shterna und Freyda, die Madrichot, kriegen die mit Orangenschalen werfenden Gören nicht unter Kontrolle.

Im Nebenraum, wo Cheski sich mit der Olivenölpresse abmüht, sieht es nicht viel besser aus. Die Kinder spielen Schlittschuhlaufen auf einer riesigen Olivenöl-Lache und bespucken den armen Cheski mit Olivenkernen. Es herrscht ein Gekreische und Gejohle wie auf dem Rummelplatz. Auf einmal geht die Tür auf. Alle verstummen. Aus den hinteren Reihen ist ängstliches Gewimmer zu hören.

Ein Kleinkind bricht in Tränen aus. Es ist Schula, die gefürchtete Obermadricha, die im Türrahmen steht. Wie immer hat sie ihr angsteinflößendes Megafon dabei, das in den Albträumen so vieler Vorschulkinder herumgeistert. »Was ist hier los?«, röhrt Schula in die Flüstertüte, und sogleich beginnt ein Marathon des eifrigen Bananenschalen-Aufsammelns, Bodenschrubbens und Fensterputzens. Zwei zitternde Kleinkinder bringen derweil emsig Schulas Schuhe auf Hochglanz.

Badewanne Ich bin fasziniert. Was hat sie, was ich nicht habe? Diese Autorität! Und wie die Kinder alle spuren. Ich bin vor Neid ganz grün. Noch am selben Abend bestelle ich im Internet ein extra-lautes Megafon. Mein Leben ändert sich von Grund auf. Morgens Langschläfer aus dem Bett zerren? Passé! Einmal kurz ins Megafon gebrüllt, schon sitzen alle brav am Frühstückstisch. Zahnputz-Verweigerung? Badewannen-Sitzstreik? Schon bald muss ich nur noch drohend mit dem Megafon wedeln, und die Chose läuft wie von selbst. Ich liebe es.

Seltsam nur, dass meine Kinder auf einmal alle möglichen nervösen Ticks entwickeln, von Händezittern und Ohrenschlackern geplagt werden und ständig zusammenzucken. Außerdem betteln sie ständig darum, ein paar Tage bei Omi oder irgendwo anders verbringen zu dürfen – Hauptsache weit, weit weg.

Oh weh. Ich verbanne das Megafon auf den Dachboden, und wenn die Kinder in Zukunft Rabatz machen, frage ich einfach mit Unschuldsmiene, ob Schula, die Obermadricha, mal zum Babysitten kommen soll – das wirkt!

Biografie

Schauspieler Berkel: In der Synagoge sind mir die Tränen geflossen 

Er ging in die Kirche und war Messdiener - erst spät kam sein Interesse für das Judentum, berichtet Schauspieler Christian Berkel

von Leticia Witte  11.07.2025

TV-Tipp

Der Mythos Jeff Bridges: Arte feiert den »Dude«

Der Weg zum Erfolg war für Jeff Bridges steinig - auch weil der Schauspieler sich gegen die Erfordernisse des Business sträubte, wie eine Arte-Doku zeigt. Bis er eine entscheidende Rolle bekam, die alles veränderte

von Manfred Riepe  11.07.2025

Thüringen

Yiddish Summer startet mit Open-Air-Konzert

Vergangenes Jahr nahmen rund 12.000 Menschen an den mehr als 100 Veranstaltungen teil

 11.07.2025

Musik

Nach Eklat: Hamburg, Stuttgart und Köln sagen Bob-Vylan-Auftritte ab

Nach dem Eklat bei einem britischen Festival mit israelfeindlichen und antisemitischen Aussagen sind mehrere geplante Auftritte des Punk-Duos Bob Vylan in Deutschland abgesagt worden

 10.07.2025

Agententhriller

Wie drei Juden James Bond formten

Ohne Harry Saltzman, Richard Maibaum und Lewis Gilbert wäre Agent 007 möglicherweise nie ins Kino gekommen

von Imanuel Marcus  12.07.2025 Aktualisiert

Kulturkolumne

Bilder, die bleiben

Rudi Weissensteins Foto-Archiv: Was die Druckwelle in Tel Aviv nicht zerstören konnte

von Laura Cazés  10.07.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  10.07.2025

Ethik

Der Weg zum Glück

Nichts ist so flüchtig wie der Zustand großer Zufriedenheit. Doch es gibt Möglichkeiten, ihn trotzdem immer wieder zu erreichen – und Verhaltensweisen, die das Glück geradezu unmöglich machen

von Shimon Lang  10.07.2025

Essay

Das Jewish-Hollywood-Paradox

Viele Stars mit jüdischen Wurzeln fühlen sich unter Druck: Sie distanzieren sich nicht nur von Israel und seiner Regierung, sondern auch von ihrem Judentum. Wie konnte es so weit kommen?

von Jana Talke  10.07.2025