»Eigentlich wollte ich Schinkenröllchen kaufen, doch fand ich hier nur Toraröllchen!« Dieser schlechtgelaunte Spruch wurde vergangene Woche an das Schaufenster des neuen Supermarktes mitten im jüdischen Viertel Antwerpens geklebt. Na ja, irgendwer findet immer was zu meckern. Ich jedenfalls bin ein Riesenfan des neuen Multikulti-Ladens mit dem tollen koscheren Sortiment.
Es ist eine der größten niederländischen Supermarktketten, und das Franchise im jüdischen Viertel ist die koschere Variante. Nichtkoschere Produkte und Halal gibt es hier natürlich auch. Eben Multikulti. Coole Idee, oder? Den Einfall hatten Amir Yarahmadi und Benjamin Fischler, die Inhaber des Ladens. Amir stammt aus einem muslimisch geprägten Umfeld, Benjamin gehört zur jüdischen Gemeinde Antwerpens.
»Ich bin hier geboren und habe 18 Jahre lang die jüdische Tachkemoni-Schule um die Ecke besucht«, sagt Benjamin in einem Interview. »Als wir den Laden vor zwei Jahren eröffneten, haben wir eng mit der jüdischen Gemeinde zusammengearbeitet, um ein breites koscheres Angebot zu erstellen. Und es ist uns wichtig, dass Juden, Christen und Muslime zusammen bei uns einkaufen können.«
Im Supermarkt herrscht eine gemütliche Atmosphäre: warmes Licht, viel Pflanzendeko. Alles ist in Schwarz-Gelb gehalten, auch der Teppich am Eingang, auf dem »Welcome« steht, und »Bruchim Haba’im« in hebräischen Lettern.
Im Schaufenster hängt immer noch das große Poster mit dem Hinweis auf die Hohen Feiertage.
Im Schaufenster hängt immer noch das große Poster mit dem Hinweis auf die Hohen Feiertage: »Met de Joodse Feestdagen zijn we enkele dagen gesloten!«, steht da auf Niederländisch – »Zu den jüdischen Feiertagen haben wir geschlossen!«.
Chassidim in schwarzen Kaftanen und Frauen in Hijabs stehen an der Supermarktkasse Schlange, andere Frauen mit Scheitels schieben Kinderwägen, die mit schwarz-gelben Shoppingtüten behängt sind. Auch hinter den Kassen sieht man einen bunten Mix aus Kippot und allen möglichen anderen Styles: Die 65 Mitarbeiter stammen aus 15 verschiedenen Ländern, beim Einkaufen kann man in den bunten Sprachenmix von Kundschaft und Bedienung eintauchen und sich ein bisschen wie im Urlaub fühlen.
Freitagmorgens riecht es nach frisch gebackenen Challot, die der Laden seit Neuestem auch anbietet. Inzwischen nämlich hat der Supermarkt einen koscheren Backraum samt Maschgiach. Samstags ist zu, dafür ist sonntags geöffnet, dann kommt meist schon frühmorgens ein Ansturm von Chassidim. Denn nach dem Schabbat ist der Kühlschrank zu Hause leergefuttert und muss schleunigst wieder aufgefüllt werden. Außerdem gibt es dann koschere Croissants und Rugelach zum Frühstück.
Hinten im Laden drängen sich kleine Jungs mit Pejes und Mädchen in entzückenden Rüschenkleidchen um das koschere Süßigkeitenregal. Tja, das klingt doch alles nach Friede, Freude, Eierkuchen. Ich wundere mich selbst, dass das alles ganz ohne Aggression und unangenehme Zwischenfälle (bis auf den dummen Spruch mit den Schinkenröllchen) zu laufen scheint. Hoffen wir, dass es dabei bleibt.