Finale

Der Rest der Welt

Ketchup und Mayo triefen mir aus beiden Mundwinkeln. Ich hinterlasse eine Spur von Zwiebelringen auf dem Gehweg. Kein schöner Anblick, ich weiß. Aber egal. Das war mein letzter Hamburger vor Pessach! Gerade als ich meine Zähne hingebungsvoll in das Hamburgerbrötchen graben wollte, ertönte ein schriller Alarmton, sodass mir ein Hamburgerbissen in der Kehle stecken blieb. Hustend und würgend, mit tränenden Augen, bemerkte ich ein zum Alarmton passendes Schild in grellorange: »Achtung, chametz-freie Zone! Alle Chametz-Träger bitte Strassenseite wechseln!«

Ungläubig blinzelnd und Brötchenkrümel hustend, wechselte ich die Straßenseite. Sofort verstummte der Alarm.
Ich war fassungslos. Der Vor-Pessach Terror hier in Antwerpen überrascht mich jedes Jahr aufs Neue. Kopfschüttelnd begab ich mich zum koscheren Supermarkt, um eine Nachspeise zu besorgen.

Chametz-Kontrolle Komisch, seit wann hatten die hier so einen bärbeißigen Security-Mann am Eingang stehen? »Taschen leeren, Chametz-Kontrolle!« schnarrte der Security Gorilla und stocherte mit einem neuartigen Chametz-Detektor in meinen Manteltaschen herum. Wo er auch prompt ein par Chametz-Kaugummis aufspürte und flugs in die Mülltonne beförderte. Meine Vor-Pessach Stimmung war somit offiziell und endgültig im Eimer. Und ich wusste auch, wer dafür verantwortlich war.

Schnell ging ich zum Café Geulah, wo ich meinen Bekannten Cheski, den Erfinder, in einer Melange rührend antraf. Gerade wollte er in ein Mandelcroissant beißen. »Dieses Jahr hast Du es wirklich übertrieben!« giftete ich ihn an und entriss ihm das Croissant. »Diese Stadt hat sich in einen Alptraum verwandelt – Deiner blöden Erfindungen wegen!«

Cheski grinste geschmeichelt. »Du hast meine Erfindungen also bemerkt? Toll, was? Warte, ich zeige Dir den allerneuesten Hit!« aufgeregt ergriff Cheski meinen Ärmel und zog mich hinter sich her, wobei er schnell noch einige Mandelcroissants in seine Taschen stopfte. Er zerrte mich in eine Seitenstraße des jüdischen Viertels. Vor einem Laden wandt sich eine lange Schlange von Chassiden, die ihre Streimel in den Händen hielten.

Streimel-Waschmaschine »Hier siehst Du meine Streimel-Waschanlage« erklärte Cheski mit stolzgeschwellter Brust, »rein in die Maschine, der Streimel wird eingeschäumt, der Chametz entfernt, und dann trockengeföhnt.« Ich folgte Cheski in den Laden, die Streimel-Waschanlage ratterte vor sich hin. Gerade hatte der bekannte Rav Silberfarb seinen prächtigen Streimel abgegeben.

Dieser verschwandt in der Maschine, es folgte ein Knattern, Zischen, Knacksen und schließlich eine kleinere Explosion, während die Waschanlage unkontrollierte Schaumberge und einen feuchten Streimel ausspuckte, der vor unseren Füßen landete. Leider war der Pelzbesatz der Maschine zum Opfer gefallen – nur noch ein schrumpeliges Lederkäppi war übrig.

Die Chassiden kreisten Cheski unter wütendem Grummeln ein, Cheski lief dunkelgrün an vor Angst, und ich machte mich grinsend aus dem Staub, aber nicht ohne mir aus Cheskis Manteltasche ein Mandelcroissant zu fischen – immerhin das letze vor Pessach.

Glosse

Der Rest der Welt

Von Kaffee-Helden, Underdogs und Magenproblemen

von Margalit Edelstein  08.12.2025

Eurovision Song Contest

»Ihr wollt nicht mehr, dass wir mit Euch singen?«

Dana International, die Siegerin von 1998, über den angekündigten Boykott mehrerer Länder wegen der Teilnahme Israels

 08.12.2025

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  08.12.2025

Vortrag

Über die antizionistische Dominanz in der Nahostforschung

Der amerikanische Historiker Jeffrey Herf hat im Rahmen der Herbstakademie des Tikvah-Instituts über die Situation der Universitäten nach dem 7. Oktober 2023 referiert. Eine Dokumentation seines Vortrags

 07.12.2025

Zwischenruf

Die außerirdische Logik der Eurovision

Was würden wohl Aliens über die absurden Vorgänge rund um die Teilnahme des jüdischen Staates an dem Musikwettbewerb denken?

von Imanuel Marcus  07.12.2025

Los Angeles

Schaffer »visionärer Architektur«: Trauer um Frank Gehry

Der jüdische Architekt war einer der berühmtesten weltweit und schuf ikonische Gebäude unter anderem in Los Angeles, Düsseldorf und Weil am Rhein. Nach dem Tod von Frank Gehry nehmen Bewunderer Abschied

 07.12.2025

Aufgegabelt

Plätzchen mit Halva

Rezepte und Leckeres

 05.12.2025

Kulturkolumne

Bestseller sind Zeitverschwendung

Meine Lektüre-Empfehlung: Lesen Sie lieber Thomas Mann als Florian Illies!

von Ayala Goldmann  05.12.2025

TV-Tipp

»Eigentlich besitzen sie eine Katzenfarm« - Arte-Doku blickt zurück auf das Filmschaffen von Joel und Ethan Coen

Die Coen-Brüder haben das US-Kino geprägt und mit vielen Stars zusammengearbeitet. Eine Dokumentation versucht nun, das Geheimnis ihres Erfolges zu entschlüsseln - und stößt vor allem auf interessante Frauen

von Manfred Riepe  05.12.2025