Meinung

Der Blick der Rimon Kirsht-Buchshtab

Als Rimon Buchshtab-Kirsht im November freikam, konfrontierte sie ihre Peiniger. Foto: Screenshot

Sie steigt aus dem Auto und wirft dem Terroristen einen Blick zu. Dieser Blick lässt einem das Blut in den Adern gefrieren. Was sie tatsächlich damit ausdrückte, können wir nur erahnen. Wir, die zuschauen, wir, die sich zu Hause irgendwo in Westeuropa in Sicherheit wähnen.

Als würden wir im Kino einem Krimi folgen. Doch diese Geiselfreilassungen erzählen nur bedingt die Geschichte von Menschen, die mehr als 50 Tage in Gewahrsam einer Terrororganisation waren. Unter übelsten Bedingungen, die wir auch wieder nur erahnen können.

Die Frau, die aus dem Auto stieg und dem maskierten Mann (oder war es eine Frau?) ganz klar eine Botschaft hinterlassen wollte und erhobenen Hauptes in Richtung Rotkreuz-Auto lief – an ihrer Seite, in ihrem Arm ging Merav Tal, ebenfalls eine freigelassene Geisel –, heißt Rimon Kirsht-Buchshtab. Sie war eine von zwölf Geiseln, die zuletzt im Rahmen des erweiterten Waffenstillstandsabkommens zwischen der Terrorgruppe und der israelischen Regierung freigelassen wurden. Das Video ging viral.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Vermutlich wurde es von einem Hamas-Mitglied gefilmt, aber die ganze Welt sah, wie Rimon einen ihrer Entführer bei ihrer Freilassung mit diesem letzten durchdringenden Blick konfrontierte – was Beobachter auf der ganzen Welt dazu veranlasste, ihren Stoizismus als »ikonisch« zu bezeichnen.

Der Moment löste schnell einen Aufruhr in den sozialen Medien aus, und der Nahost-Analyst Eli Kowaz kommentierte auf X »den Blick, den Rimon Kirsht dem Hamas-Terroristen zuwarf«. Auch der Sprecher der israelischen Regierung, Eylon Levy, teilte den Clip mit der Überschrift: »Leg dich nicht mit jüdischen Frauen an.«

Und Aviva Klompas, ehemalige Redenschreiberin der israelischen Mission bei den Vereinten Nationen, schrieb neben einem Bild des Austauschs mit drei Feuer-Emojis. Klompas teilte später weitere Fotos von Kirshts Wiedervereinigung mit ihren Lieben.

Klickt man sich durch die Kommentare, die das Video in den sozialen Medien säumen, erstarrt man gleich nochmal. Viele User schreiben, wie nett die Entführer die Geiseln doch behandelten, wie gut sie zu ihnen gewesen seien – im Gegensatz zur israelischen Armee. Die foltere und töte die Menschen ja nur. Natürlich wird das geglaubt, wenn auf anderen Videos freigelassene Geiseln gezeigt werden, wie sie beim Ausstieg ihren Entführern sogar zugewinkt oder zumindest gelächelt haben.

Empörung macht sich in mir breit. Aber ich kann sogar verstehen, dass das »Weltpublikum« auf die perfide PR-Masche der Hamas reinfällt – das ist Präzisionsarbeit. Gut gemacht. Die Welt glaubt alles, Hamas muss nur einmal winken. Oder winken lassen.

Doch da kam eine mutige Frau von 36 Jahren, die einem Terroristen mit Maschinengewehr die Stirn bot. Woher nahm Kirsht die Kraft? Wir werden es nicht erfahren. Wir werden auch nicht so schnell erfahren, wie es ihrem Mann geht. Yagev Buchsthab ist noch immer in Geiselhaft. Als seine Frau in einem israelischen Krankenhaus eintraf und dort von ihrer Familie empfangen wurde, waren ihre ersten Worte: »Holt Yagev nach Hause.« Sie sagte es erhobenen Hauptes.

Atlanta

Woody Allen verteidigt Auftritt bei Moskauer Filmfestival

In einem CNN-Interview legt der Regisseur und Schauspieler dar, warum er an dem russischen Event teilnahm

 27.08.2025

Essay

Übermenschlich allzumenschlich

Künstliche Intelligenz kann Großartiges leisten. Doch nicht zuletzt die antisemitischen Ausfälle von Elon Musks Modell »Grok« zeigen: Sie ist nicht per se besser als ihre Schöpfer. Ein alter jüdischer Mythos wirft Licht auf dieses Dilemma

von Joshua Schultheis  27.08.2025

Archäologie

Vorform der Landwirtschaft: Steinsicheln für die Getreideernte

Funde aus einer Höhle in Zentralasien stellen Annahmen zur Entstehung der Landwirtschaft infrage. Offenbar liegen deren Ursprünge nicht nur in der Region Vorderasien, die auch das heutige Israel umfasst

von Walter Willems  26.08.2025

Digital

Initiative von Heidelberger Hochschule: Neuer Podcast zum Judentum

»Jüdische Studien Heute« als Podcast: Das neue Angebot der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg will alle zwei Wochen Forschungsthemen aufgreifen und Einblicke in die jüdische Lebenswelt bieten

von Norbert Demuth  26.08.2025

Zahl der Woche

1902

Fun Facts und Wissenswertes

 26.08.2025

TV-Tipp

»Barbie« als TV-Premiere bei RTL: Komödie um die legendäre Puppe

Im ersten Realfilm der 1959 von Ruth Handler erfundenen Puppe ist Barbieland eine vor Künstlichkeit nur so strotzende Fantasie

von Michael Kienzl  26.08.2025

Nominierungen

Grimme Online Award: Nahost-Konflikt und deutsche Geschichte im Fokus

In den vier Kategorien kann die Jury des Grimme Online Awards aus den 25 Nominierten bis zu acht Preisträger auswählen

 26.08.2025

Berlin

Götz Aly: Kaum Parallelen zwischen 1933 und heute

Wie konnten die Deutschen den Nazis verfallen und beispiellose Verbrechen begehen? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Historiker in seinem neuen Buch. Erkennt er Parallelen zu heute?

von Christoph Driessen  26.08.2025

Oberammergau

»Judenfreund«: Regisseur Stückl beklagt Anfeindungen

Christian Stückl leitet die berühmten Passionsspiele in Oberbayern. Lange wurde er dafür gewürdigt, das Werk von judenfeindlichen Passagen befreit zu haben. Nun dreht sich der Wind

 25.08.2025