Glosse

Warum Israelis die mit großem Abstand nervigsten Touristen überhaupt sind

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Waren Sie schon mal in Georgien? Nein? Es lohnt sich! Der Osten des Landes erinnert an die Toskana, Weine und Essen sind einfach nur fantastisch. Und es ist günstig dort – also genau richtig für Leute wie mich, deren Konto nach einigen Monaten in Israel mit seinen Mondpreisen reichlich strapaziert war. Also ab in den Kaukasus, dachte ich mir, dort ist es idyllisch und ruhig, auch wenn die Georgier noch halsbrecherischer Auto fahren als die Israelis.

Nur mit der Ruhe war es schnell vorbei. »Mama, ich will Bamba!«, brüllt ein ungefähr Fünfjähriger auf Hebräisch in Abanotubani, dem wunderschönen, alten Bäderviertel in Tbilisi. Und während seine Mutter ihm vergeblich zu erklären versucht, dass es die israelischen Erdnussflips hier nicht zu kaufen gibt, ist der Vater damit beschäftigt, die beiden anderen Sprösslinge, die gerade einen Straßenhund adoptieren wollen, wieder unter Kontrolle zu bringen. Selbstverständlich geschieht auch das – wie immer bei Israelis – nicht eben leise.

krawallfamilie Offensichtlich war ich nicht der Einzige, der gemerkt hat, dass es sich bei der Krawallfamilie um Israelis handelte. Eine Touristengruppe bekam dies gleichfalls mit. Man schaute erst irritiert, flüchtete dann ins Auto, das ein iranisches Kennzeichen hatte. Aha, dachte ich mir, man wollte wohl jeden Kontakt mit dem zionistischen Erzfeind vermeiden. Eins zu null für die Israelis.

Dabei ist es nahezu unmöglich, in Georgien nicht auf Israelis zu stoßen, vor allem in Tbilisi. Bereits vor Corona stellten sie mit bis zu 200.000 Touristen eine der größten Besuchergruppen. An manchen Hotspots wie dem Mtatsminda-Park, von wo aus man einen tollen Ausblick auf die Stadt hat, sind sie gleich hordenweise präsent. Und selbstverständlich wieder nicht zu überhören. »Yossi, wie viel sind 100 Lari in Schekel?«, schreit eine Mittsechzigerin quer über den Vorplatz des dortigen Restaurants und freut sich lautstark darüber, dass das Drei-Gänge-Menü hier weniger kostet als eine Pizza auf die Hand in Tel Aviv.

flip-flops Aber auch in die Natur zieht es die Israelis. Im Lagodechi-Nationalpark, unmittelbar an der Grenze zu Aserbaidschan, traf ich auf zwei ältere Israelinnen, die mal eben eine kleine Wanderung in den Großen Kaukasus machen wollten, und zwar auf Flip-Flops. Nach wenigen Hundert Metern war Schluss für die beiden. Jetzt weiß ich, warum man immer wieder von Israelis liest, die in den Bergen Georgiens zu Tode stürzen.

Nur in einer Ecke des Landes hat man Ruhe vor ihnen, und zwar in kleinen Küstendörfern wie Ureki oder Kobuleti. Wie früher, als das Schwarze Meer so etwas wie die Badewanne der Sowjetunion war, ist es dort auch heute noch rappelvoll mit Russen, Aserbaidschanern, Armeniern und sogar einigen Ukrainern. Und das Überraschende: Obwohl sie sich woanders gerade die Köpfe einschlagen, hier liegen alle friedlich vereint am Strand. Vielleicht wäre dies auch für Israelis und Iraner kein schlechter Ort, um Urlaub zu machen.

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