Glosse

Der Rest der Welt

Foto: picture alliance / Uta Poss

Glosse

Der Rest der Welt

Warum mich neuerdings mein Wecker anruft

von Beni Frenkel  25.06.2023 09:50 Uhr

Kürzlich ging mein Mobiltelefon kaputt. Auf dem Display erschien eine Meldung. Ich weiß nicht mehr, worum es ging. Ich musste mit Ja oder Nein antworten. Ich bin kein Technikfreak. Also habe ich mit Ja geantwortet. Dann ploppte wieder eine Frage auf. Ich schrieb: »Ja«, dann nochmals dreimal »ja, ja, ja.«

Seitdem ist alles futsch. Immerhin, der Wecker, der funktioniert noch. Ich bin nun ziemlich aufgeschmissen, denn Festnetz habe ich schon seit Jahren keines. Wer etwas von mir will, muss nun unten an der Tür klingeln. Das geht noch.

wunder Jeden Morgen schalte ich mein Mobiltelefon an und hoffe, dass es plötzlich wieder funktioniert. Ich weiß nicht, ob ich Wunder verdient habe, darum habe ich mit dem lieben Gott einen Deal abgeschlossen: Wenn das Gerät wieder geht, werde ich nie wieder »Laschon hara« sprechen, also keine üble Nachrede. Wir sind noch in Verhandlungen.

Dass mich Leute nicht mehr anrufen können, ist eigentlich gar nicht so schlimm. Meistens ist es ohnehin meine Frau, die mich wegen irgendetwas anbellt. Schlimmer ist, dass ich in der Straßenbahn nichts mehr zu tun habe. Alle Menschen machen irgendetwas mit ihren Mobiltelefonen. Ausnahmen sind Rentner. Ich bin aber erst 46 Jahre alt! Ich spiele nun ein bisschen mit der Weckerfunktion, mit der Lautstärke und dem Klingelton.

Dass mich Leute nicht mehr anrufen können, ist eigentlich gar nicht so schlimm. Meistens ist es ohnehin meine Frau, die mich wegen irgendetwas anbellt.

Ich lasse den Wecker klingeln, der sich wie ein Anruf anhört. Ich schalte ihn ab und spreche laut: »Thomas, das Meeting müssen wir auf drei Uhr verschieben. Ich muss noch einen Merger abschließen.«

strassenbahn Zufrieden gucke ich in der Straßenbahn herum. Haben das alle mitbekommen? Diesmal lasse ich den Wecker auf höchste Lautstärke brüllen. Ich nestle in der Hosentasche herum. Wo ist denn schon wieder mein Gerät? »Hallo, Angie, hat dich der Chef gebrieft? Hallo, ich höre dich jetzt ganz schlecht. Sag Mike, dass ich sein Memo erhalten habe. Okay, bye!« Weil der Wecker so laut war, haben nun auch alle meine Konversation mitbekommen.

Nein, unbegabt bin ich nicht. Ich kann so etwas wirklich gut. Das habe ich alles auf der Jeschiwa gelernt. Beim Morgengebet habe ich immer so getan, als würde ich gerade mein Herz ausschütten, und den Oberkörper wie wild hin und her gedreht.

Und beim Lehrvortrag des weisen Rabbi Feldmann habe ich den Ausführungen stets nachdenklich zugestimmt. Richtig, Rabbi Feldmann, das habe ich mir bei dieser Textstelle auch gedacht. Damals habe ich … oh, Entschuldigung, Angie ruft gerade an. Wahrscheinlich geht es um die Hotelübernachtung. Ich melde mich wieder.

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  07.09.2025 Aktualisiert

Kino

Superman bleibt jüdisch

Der erste jüdische Superman-Darsteller scheint sich bewährt zu haben. Der Termin für den nächsten Film steht fest

 07.09.2025

Aufgegabelt

Vegane Halva-Schoko-Kekse

Rezepte und Leckeres

 07.09.2025

Filmfest Venedig

Leises Kino statt Moral-Anklage: Jarmusch gewinnt in Venedig

»Ich mag es nicht, zu verallgemeinern«, sagte der diesjährige Gewinner des Goldenen Löwen. Der Große Preis der Jury ging dagegen an politisches Überwältigungskino über den Nahost-Konflikt

von Lisa Forster  07.09.2025

Essay

Das Gerücht über Israel

Die Geschichte des Antisemitismus ist eine Geschichte der Lüge. Was früher dem Juden als Individuum unterstellt wurde, wird nun Israel als Nation vorgeworfen

von Daniel Neumann  06.09.2025 Aktualisiert

Schweden

Jazz-Musiker David Hermlin wirft Festival Cancelling vor

Der Musiker habe auf einem Swing-Festival propalästinensischen Aktivisten Fragen gestellt. Plötzlich sei ihm »Einschüchterung« vorgeworfen worden

 05.09.2025

TV-Tipp

Über 100 Jahre alt - und immer noch prägend - In einer Arte-Doku machen fünf Frauen ein Jahrhundert lebendig

Arte begleitet fünf Frauen, die über 100 Jahre alt sind. Sie alle haben mit außergewöhnlicher Willenskraft auf ihre jeweilige Weise Großes geleistet. Ihre Lebenswege führen von Atatürk bis zur kubanischen Revolution

von Esther Buss  05.09.2025

Fürth

Ruth Weiss ist gestorben

Sie engagierte sich ihr Leben lang gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit. Nun ist die in Franken geborene Schriftstellerin mit 101 Jahren gestorben

 05.09.2025 Aktualisiert

Kolumne

Hoffnung als portatives Vaterland

Ein Trost trotz Krieg und viel zu vielen Toten: Mitten in Stockholm spielt ein mutiger Musiker die Hatikwa, die israelische Nationalhymne

von Ayala Goldmann  05.09.2025