Finale

Der Rest der Welt

Stadtaffen-Maske? Egal: Purim Sameach!

Finale

Der Rest der Welt

Warum ich nur an Purim »ein bisschen Kleingeld« in der S-Bahn gebe

von Ayala Goldmann  06.03.2023 14:06 Uhr Aktualisiert

Geschenke an die Armen sind an Purim ein Gebot. In der Berliner S-Bahn hätte ich dazu jeden Tag Gelegenheit: Seit gut zwei Wochen fährt meine Linie, die S1, wieder durchgehend. Stammgäste waren schon vor den wochenlangen Bauarbeiten an der Strecke zwei Obdachlosenzeitungsverkäufer – ich nenne sie hier Alex und Egon.

An die beiden habe ich mich gewöhnt. Die Zeitungen mag ich nicht, aber neulich habe ich Alex mal wieder eine abgekauft. Es war dann aber gar nicht die Obdachlosenzeitung, sondern ein englischsprachiges Umsonst-Magazin mit Veranstaltungshinweisen vom vorvergangenen Monat. Nicht, dass die Obdachlosenzeitungen besser wären: Ich erinnere mich an lange Artikel, die den Kapitalismus anprangern, inmitten von Bleiwüsten fast ohne Fotos. Okay, es sind Sozialprojekte, aber irgendein Lesegenuss könnte bei einem Bezahlblatt doch drin sein?

Grantelig Das fand ich jedenfalls vor mehr als 20 Jahren, als ich mich als Journalistin in Berlin selbstständig machte. Weil ich damals wenige Aufträge hatte, rief ich in der Redaktion der »motz« an. Ich glaubte nämlich, dass die Zeitung auf die Unterstützung von einer professionell ausgebildeten Journalistin wie mir nur gewartet hätte. »Motz und Konsorten«, meldete sich eine grantige Berliner Stimme. »Bin ich hier richtig bei der Obdachlosenzeitung motz?«, fragte ich. »Das sagte ich bereits«, schnarrte die Stimme. Ich begann, meine Qualifikationen anzupreisen, wurde aber abgewürgt: »Unser Chefredakteur wird sich bei Ihnen melden!«

Tagelang saß ich neben meinem Festnetztelefon. Wer natürlich nicht anrief, war der Chef. Seitdem kaufe ich die »motz« nicht mehr. Strafe muss sein. Manchmal aber, wenn es kalt ist und Alex und Egon mir leidtun, gebe ich ihnen zwei Euro, um die Konkurrenz zu unterstützen.

Doch seit dem vorläufigen Ende der Bauarbeiten an der S1 musste ich feststellen, dass Egon und Alex längst in der Minderheit sind. Zwischen Schöneberg und Oranienburger Straße begegnen mir jetzt jeden Tag etwa zehn Menschen, die ganz ohne Zeitung etwas von mir wollen – fünf in jede Richtung. Seien es 70 Cents für einen Fahrschein, etwas Geld für Essen und Trinken oder einfach nur Geld. Ich erkläre mir das mit dem Krieg, der Inflation, gestiegenen Heizkosten und Migration. Leider kann ich nicht alle Probleme lösen.

Peter Fox Zum Glück sind an Purim nicht nur Geschenke an die Armen eine Mizwa, sondern auch Verkleidungen. Am Dienstag werde ich in der S-Bahn meine legendäre Gorillamaske aufsetzen und mich spendabel zeigen. Wer »ein bisschen Kleingeld« braucht, kann in der S1 nach dem Stadt­affen suchen. Wie Peter Fox singt: »Schön, dass ich der angesagte Affe bin!«

Aber am Affen-Aschermittwoch (zur Info: das ist kein offizieller jüdischer Feiertag) ist alles vorbei! Ich lege großen Wert darauf, dass niemand mich wiedererkennt. Neulich wurde ich in der S-Bahn angemacht, weil meine Berlinale-Akkreditierung zu sehen war. »Na, Spaß im Kino gehabt? Für Bedürftige sind die Tickets zu teuer!«, giftete mich eine Mitfahrerin an. Aber was kann ich dafür, habe ich etwa die Preise gemacht? Bin ich froh, dass Purim nur einmal im Jahr ist!

Aufgegabelt

Plätzchen mit Halva

Rezepte und Leckeres

 05.12.2025

Kulturkolumne

Bestseller sind Zeitverschwendung

Meine Lektüre-Empfehlung: Lesen Sie lieber Thomas Mann als Florian Illies!

von Ayala Goldmann  05.12.2025

TV-Tipp

»Eigentlich besitzen sie eine Katzenfarm« - Arte-Doku blickt zurück auf das Filmschaffen von Joel und Ethan Coen

Die Coen-Brüder haben das US-Kino geprägt und mit vielen Stars zusammengearbeitet. Eine Dokumentation versucht nun, das Geheimnis ihres Erfolges zu entschlüsseln - und stößt vor allem auf interessante Frauen

von Manfred Riepe  05.12.2025

Köln

Andrea Kiewel fürchtete in Israel um ihr Leben

Während des Krieges zwischen dem Iran und Israel saß Andrea Kiewel in Tel Aviv fest und verpasste ihr 25. Jubiläum beim »ZDF-Fernsehgarten«. Nun sprach sie darüber, wie sie diese Zeit erlebte

 05.12.2025

Genf

Entscheidung gefällt: Israel bleibt im Eurovision Song Contest

Eine Mehrheit der 56 Mitgliedsländer in der European Broadcasting Union stellte sich am Donnerstag gegen den Ausschluss Israels. Nun wollen Länder wie Irland, Spanien und die Niederlande den Musikwettbewerb boykottieren

von Michael Thaidigsmann  04.12.2025

Medien

»Die Kritik trifft mich, entbehrt aber jeder Grundlage«

Sophie von der Tann wird heute mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis geehrt. Bislang schwieg sie zur scharfen Kritik an ihrer Arbeit. Doch jetzt antwortete die ARD-Journalistin ihren Kritikern

 04.12.2025

Antisemitismus

Schlechtes Zeugnis für deutsche Schulen

Rapper Ben Salomo schreibt über seine Erfahrungen mit judenfeindlichen Einstellungen im Bildungsbereich

von Eva M. Grünewald  04.12.2025

Literatur

Königin Esther beim Mossad

John Irvings neuer Roman dreht sich um eine Jüdin mit komplexer Geschichte

von Alexander Kluy  04.12.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter, Imanuel Marcus  04.12.2025