Glosse

Der Rest der Welt

Heiraten und Kinderkriegen ist im Judentum ein wichtiges Gebot. Foto: Gregor Matthias Zielke

Man kann sich nicht aussuchen, in wen man sich verliebt, sagt mir meine Ima oft, nur um dann hinterherzuschieben: »Aber wenn du mal heiratest, dann bitte schon eine Jüdin.« Das klingt nicht nur wie eine Drohung, sondern ist auch so gemeint. Solange ich aber noch zu Hause lebte, in einer mittelgroßen Stadt in Südhessen, musste ich diese nicht für ganz voll nehmen: Die Zahl der potenziellen Partnerinnen ließ sich an einer Hand abzählen. Ein super Argument, mit dem ich meine Mutter immer abwimmeln konnte, wenn sie wieder einmal neugierig fragte, wie es bei mir »eigentlich aussieht«.

Schadchan Nun lebe ich schon eine Weile in Berlin, und meine Ausreden verfangen immer weniger. Nicht nur bin ich schon lange im heiratsfähigen Alter, meine selbst gewählte neue Heimatstadt ist vermutlich der Ort in Deutschland mit der größten jüdischen Bevölkerung. Einer ernst gemeinten Partnersuche stünde also nichts im Wege. Im Gegenteil: Alles in der jüdischen Gemeinschaft scheint genau auf dieses Ziel ausgerichtet zu sein. Schließlich ist es ein wichtiges Gebot im Judentum, Kinder zu kriegen, und der Heiratsvermittler hat im Hebräischen einen eigenen Namen: »Schadchan«. Offenbar hat dieses Thema auch in der Gegenwart unter Juden nichts an seiner Bedeutung verloren.

Bei der Anmeldung zu einer Purim-Party sollte ich doch glatt meinen Beziehungsstatus preisgeben.

Als ich mich einmal bei einer Purim-Party von Israelis in Berlin anmeldete, sollte ich doch glatt im Online-Formular meinen Beziehungsstatus preisgeben. »Sehr merkwürdig«, dachte ich und gab an: »It doesn’t matter.« Meine Befürchtung, man würde am Einlass farbige Bändchen erhalten, die indizieren, ob man vergeben sei oder nicht, trat dann zum Glück nicht ein. Aber der Verdacht, dass es bei solchen Gelegenheiten irgendwie immer auch um Kuppelei geht, erhärtete sich für mich.

JSwipe Als Dating-Apps vor einigen Jahren eine große Sache wurden, interessierte mich, ob es hier – wie eigentlich bei allem, was man sich denken kann – auch ein jüdisches Pendant gibt. Ja, gibt es: »JSwipe«. Das funktioniert ähnlich wie Tinder, nur eben ausschließlich mit Jüdinnen und Juden – und ist leider auch genauso frustrierend. Auf der Suche nach einer weniger nervigen Alternative fand ich schließlich die Facebook-Gruppe »Jüdische Singles«. Kaum war ich beigetreten, meldete sich auch schon der Gruppen-Admin, eine Art Internet-Schadchan, bei mir und fragte nach Details zu meiner Person, auf deren Grundlage er dann ein »Match« für mich finden würde. Das war mir dann doch nicht ganz geheuer, und ich brach auch diesen Versuch wieder ab – zum Leidwesen meiner Ima. Die wartet immer noch ungeduldig auf ihre jüdischen Enkelkinder.

Indes ist mir ein neues Argument eingefallen, mit dem ich ihre Erwartungen im Zaum halten kann: Wenn sie mal wieder betont beiläufig fragt, ob ich in Berlin jemand Nettes kennengelernt habe, sage ich ebenso beiläufig, dass ich mir so sicher gar nicht bin, dass das mit dem Familiengründen etwas für mich ist. Dann schlägt sie die Hände über dem Kopf zusammen und fleht: »Heirate, wen du willst, solange du nur irgendwann Kinder kriegst!«

Musik

»Piano Man« verlässt die Bühne: Letztes Billy-Joel-Konzert

Eine Ära geht zuende: Billy Joel spielt nach zehn Jahren vorerst das letzte Mal »Piano Man« im New Yorker Madison Square Garden. Zum Abschied kam ein Überraschungsgast.

von Benno Schwinghammer  26.07.2024

Zahl der Woche

16 Sportarten

Fun Facts und Wissenswertes

 26.07.2024

Lesen!

Ein gehörloser Junge und die Soldaten

Ilya Kaminsky wurde in Odessa geboren. In »Republik der Taubheit« erzählt er von einem Aufstand der Puppenspieler

von Katrin Diehl  25.07.2024

Ruth Weiss

»Meine Gedanken sind im Nahen Osten«

Am 26. Juli wird die Schriftstellerin und Journalistin 100 Jahre alt. Ein Gespräch über ihre Kindheit in Südafrika, Israel und den Einsatz für Frauenrechte

von Katrin Richter  25.07.2024

Streaming

In geheimer Mission gegen deutsche U-Boote

Die neue Action-Spionagekomödie von Guy Ritchie erinnert an »Inglourious Basterds«

von Patrick Heidmann  25.07.2024

Bayreuth

Das Haus in der Wahnfriedstraße

Die Debatten um Richard Wagners Judenhass gehen in eine neue Runde. Nun steht sein antisemitischer Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain im Fokus

von Axel Brüggemann  25.07.2024

Sehen!

»Die Ermittlung«

Der Kinofilm stellt den Aussagen der Zeugen die Ausflüchte der Angeklagten gegenüber

von Ayala Goldmann  25.07.2024

Kommentar

Der »Spiegel« schreibt am eigentlichen Thema vorbei

In seiner Berichterstattung über das Abraham-Geiger-Kolleg konstruiert das Magazin eine Konfliktlinie

von Rebecca Seidler  25.07.2024 Aktualisiert

Literatur

Dieses Buch ist miserabel. Lesen Sie dieses Buch!

Eine etwas andere Kurzrezension von Ferdinand von Schirachs Erzählband »Nachmittage«

von Philipp Peyman Engel  24.07.2024 Aktualisiert