Glosse

Der Rest der Welt

Sollten wir als Juden wirklich darauf verzichten, regelmäßig zu duschen? Foto: Getty Images/iStockphoto

Glosse

Der Rest der Welt

Nicht ohne meine Wanne oder Warum ich länger dusche als Robert Habeck

von Ayala Goldmann  02.07.2022 23:34 Uhr

Ein Leben voller Ausschweifungen? Kenne ich nur aus Romanen. Geraucht habe ich nie, von Rotwein bekomme ich Kopfschmerzen, zu wilden Partys werde ich nicht eingeladen, und natürlich halte ich mich an das sechste Gebot. Ein Auto besitze ich auch nicht. Ich habe – außer Urlaubsflügen – nur ein einziges, harmloses Laster: täglich in der Badewanne zu liegen oder wenigstens ausgiebig zu duschen.

Fast jeden Tag beschwert sich mein Mann, zu viel Baden sei schlecht für meine Haut und schädige das Klima. Ich lasse ihn reden – und dann noch mehr Wasser ein. Auch »Non bathing«, den neuen Trend aus Hollywood, habe ich bis dato ignoriert, obwohl jüdische Stars wie Jake Gyllenhaal, Gwyneth Paltrow und Mila Kunis längst ihren Wasserverbrauch gedrosselt haben. Letztere behauptet sogar, sie wasche ihre Kinder nur, wenn der Dreck nicht mehr zu übersehen sei.

rekordtemperaturen Aber sollten wir als Juden wirklich darauf verzichten, regelmäßig zu duschen – ausgerechnet bei diesen Rekordtemperaturen? Meine Meinung: keine Gerüche, keine Risches! Die Rechnung wird natürlich nicht aufgehen, aber ich möchte trotzdem nicht gerne als Stinkjüdin bezeichnet werden. Dann schon lieber als Klimakillerin.

Doch mit dieser Haltung stehe ich wohl bald alleine da. Wie »Critical Whiteness« ist auch die »Non bathing«-Bewegung aus Amerika nach Deutschland geschwappt und wird ausführlich in diversen Zeitungen transdisziplinär diskutiert – nicht nur von Klimaschützern.

Ich möchte nicht gerne als Stinkjüdin bezeichnet werden. Dann schon lieber als Klimakillerin.

Auch Dermatologen kommen zu Wort: Zu viel Körperwäsche zerstöre den Schutzfilter der Haut. Wenn schon Duschen, dann ohne Seife! Auch Duschgel sei für die meisten Körperpartien nicht notwendig und dürfe, wenn überhaupt im Einsatz, auf keinen Fall Parfum, Sulfate, Parabene, Phthalate und Formaldehyd enthalten. Und so weiter und so fort.

Nun ist auch noch Robert Habeck mit von der Partie: Unser Bundeswirtschaftsminister von den Grünen hat erklärt, er habe seine ohnehin kurze Duschzeit von angeblich nicht einmal fünf (!) Minuten wegen des Ukraine-Kriegs noch einmal reduziert. Meine Meinung: Putin wird das nicht beeindrucken. Wo bleiben die Panzer? Und warum sollte ich eher auf Robert Habeck hören als auf meinen Mann?

backofen Frieren für den Frieden werden wir sowieso im kommenden Winter, wenn die Gasspeicher leer sind und das Heizöl unbezahlbar. Von mir aus drehe ich die Heizung auf 16 Grad herunter, wenn es sein muss, ziehe mir einen dicken Pullover an und denke an Thilo Sarrazin. Oder wir heizen mit dem Backofen – wie letzten Winter, als der Ölkessel kaputtging.

Aber solange es kein Bundesduschgesetz gibt, lasse ich mir von niemandem vorschreiben, wie lange ich mich in meiner Badewanne aufhalte. Kernseife kommt mir auch nicht ins Haus. Und selbst wenn morgen die Welt untergeht, werde ich heute Abend noch ein Vollbad nehmen. Darauf eine Flasche Aroma-Pflegeschaumbad »Fröhliche Auszeit« – mit Rotem Mohn und Hanf!

Hollywood

Ist Timothée Chalamet der neue Leonardo DiCaprio?

Er gilt aktuell als einer der gefragtesten Schauspieler. Seine Karriere weckt Erinnerungen an den Durchbruch des berühmten Hollywood-Stars - der ihm einen wegweisenden Rat mitgab

von Sabrina Szameitat  22.12.2025

Didaktik

Etwas weniger einseitig

Das Israel-Bild in deutschen Schulbüchern hat sich seit 2015 leicht verbessert. Doch der 7. Oktober bringt neue Herausforderungen

von Geneviève Hesse  22.12.2025

Meinung

Der Missbrauch von Anne Frank und die Liebe zu toten Juden

In einem Potsdamer Museum stellt der Maler Costantino Ciervo das jüdische Mädchen mit einer Kufiya dar. So wird aus einem Schoa-Opfer eine universelle Mahnfigur, die vor allem eines leisten soll: die moralische Anklage Israels

von Daniel Neumann  21.12.2025

Film

Spannend, sinnlich, anspruchsvoll: »Der Medicus 2«

Nach zwölf Jahren kommt nun die Fortsetzung des Weltbestsellers ins Kino

von Peter Claus  21.12.2025

Gastbeitrag

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum schweigt ihr?

Jan Grabowski fragt die deutschen Historiker, warum sie es unwidersprochen stehen lassen, wenn ein Holocaust-Experte für seine Forschungsarbeit diskreditiert wird

von Jan Grabowski  21.12.2025

In eigener Sache

Die Jüdische Allgemeine erhält den »Tacheles-Preis«

Werteinitiative: Die Zeitung steht für Klartext, ordnet ein, widerspricht und ist eine Quelle der Inspiration und des Mutes für die jüdische Gemeinschaft

 21.12.2025

Glosse

Das kleine Glück

Was unsere Autorin Andrea Kiewel mit den Produkten der Berliner Bäckerei »Zeit für Brot« in Tel Aviv vereint

von Andrea Kiewel  20.12.2025

Aufgegabelt

Apfel-Beignets

Rezept der Woche

von Katrin Richter  20.12.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Ab jetzt nur noch mit Print-Abo oder Es gibt viele Gründe, auf 2026 anzustoßen

von Katrin Richter  20.12.2025