Glosse

Der Rest der Welt

Die Vorbereitung auf eine Bar- oder Batmizwa nimmt viel Zeit in Anspruch. Foto: Rolf Walter/Xpress

Glosse

Der Rest der Welt

Amalek und kleinere Sorgen oder Die Barmizwa rückt näher

von Ayala Goldmann  05.03.2022 20:27 Uhr

Gute jüdische Mütter schwärmen noch Jahre nach der Barmizwa ihres Sohnes (oder der Batmizwa ihrer Tochter) mit Tränen der Rührung in den Augen von dem großen Ereignis. Ich hingegen sehe mich kurz vor der Barmizwa meines einzigen Sohnes von emotionaler Ergriffenheit noch ein Stück weit entfernt.

Seit Wochen kauen wir auf dem »Maftir« herum, dem Toratext, den der Junge in der Synagoge vortragen soll. Es geht um die Erinnerung an Amalek, möge sein Name ausgelöscht sein!

bösewicht Dass wir in dieser Situation sind, ist nicht die Schuld des Bösewichts, sondern meine eigene: Denn ich habe es uns eingebrockt, dass mein Sohn ausgerechnet an Schabbat Sachor zum ersten Mal zur Tora aufgerufen wird.

Mit Amalek werden wir schon fertig, hatte ich mir gedacht und mögliche Alternativtermine für die Barmizwa leichtfertig ausgeschlagen. Leider hatte ich es versäumt, mich eingehend mit der Haftara zu beschäftigen, die an diesem Schabbat in der Synagoge gelesen wird.

Denn die Prophetenlesung ist noch viel schlimmer als das Maftir. Wie das Prophetenbuch Schmuel Alef zu berichten weiß, tötete König Schaul 200.000 Amalekiter – Männer, Frauen und Kinder. Dennoch war der Prophet mit ihm unzufrieden, weil Schaul nicht auch den König der Amalekiter erledigt hatte. Um den Willen des Herrn zu tun, schlug Schmuel dem feindlichen König persönlich den Kopf ab. Anschließend wurde Schaul als König der Israeliten abgesetzt. Was soll ein Kind daraus nur lernen?

In welcher Farbe soll ich Kippot bestellen? Bordeaux ist ausverkauft und Lila geht nur beim Kirchentag.

»Nur schlechte Juden mögen diese Haf­tara«, meint ein Bekannter aus Israel. »Unser Sohn singt keine gewaltverherrlichenden Texte in der Synagoge!«, protestierte mein Mann, der Kriegsdienstverweigerer. »Kannst du das bitte verhindern?«

Mein Versuch, die Rabbinerin in letzter Sekunde für eine Alternativ-Haftara zu gewinnen, fruchtete nichts: Das hätte ich mir früher überlegen sollen, beschied sie mich (womit sie, wie bereits angedeutet, nicht unrecht hatte). Texte seien dazu da, um sich mit ihnen auseinanderzusetzen! Wie genau das geschehen soll, möchte ich an dieser Stelle unerwähnt lassen, ich will ja nicht schon alles vorher verraten.

DRASCHA Zum Glück ist mein Sohn Pragmatiker – was mir Kopfzerbrechen bereitet, ist für ihn gar kein Problem. Zum Beispiel seine Drascha, in die ich mich nicht einzumischen habe. »Weißt du, dass manche Leute Amalek mit den Nazis vergleichen?«, habe ich ihn gefragt. Mein Sohn sagt: »Mama! Es gibt schon genug überflüssige Nazivergleiche auf der Welt!« Der Schurke ist also von meiner Sorgenliste gestrichen – jedenfalls, was die Barmizwa angeht.

Alle anderen Probleme werden sich hoffentlich lösen lassen. Doronia hat den Tallit rechtzeitig geliefert, aber in welcher Farbe soll ich Kippot bestellen? Bourdeaux ist ausverkauft, und Lila geht nur beim Kirchentag. Und falls wir uns doch noch mit Omikron anstecken, werden wir dann rechtzeitig wieder gesund? Aber was ist schon ein Virus gegen einen Krieg? Ich denke, ich kann mich glücklich schätzen, wenn ich in den nächsten Tagen keine anderen Sorgen habe!

Los Angeles

Bestürzung über Tod von Rob Reiner und Ehefrau Michele

Der jüdische Regisseur und seine Frau wurden tot in ihrem Haus aufgefunden. Die Polizei behandelt den Fall als mögliches Tötungsdelikt

 15.12.2025

Justiz

Gericht: Melanie Müller zeigte mehrmals den Hitlergruß

Melanie Müller steht erneut vor Gericht: Die Schlagersängerin wehrt sich gegen das Urteil wegen Zeigens des Hitlergrußes und Drogenbesitzes. Was im Berufungsverfahren zur Debatte steht

von André Jahnke  14.12.2025

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  14.12.2025

Nachruf

Trauer um Hollywood-Legende Arthur Cohn

Arthur Cohn war immer auf der Suche nach künstlerischer Perfektion. Der Schweizer Filmproduzent gehörte zu den erfolgreichsten der Welt, wie seine Oscar-Ausbeute zeigt

von Christiane Oelrich  12.12.2025

Computerspiel

Lenny Kravitz wird James-Bond-Bösewicht

Als fieser Schurke will der Musiker im kommenden Jahr dem Agenten 007 das Leben schwer machen – allerdings nicht auf der Kinoleinwand

 12.12.2025

Berlin

Jüdisches Museum bekommt zusätzliche Förderung

Das Jüdische Museum in Berlin gehört zu den Publikumsmagneten. Im kommenden Jahr feiert es sein 25. Jubiläum und bekommt dafür zusätzliche Mittel vom Bund

 12.12.2025

Aufgegabelt

Latkes aus Dillgürkchen

Rezepte und Leckeres

 12.12.2025

Kulturkolumne

Lieber Chanukka als Weihnachtsstress?

Warum Juden es auch nicht besser haben – was sich spätestens an Pessach zeigen wird

von Maria Ossowski  12.12.2025

Kommerz

Geld oder Schokolade?

Der Brauch, an den Feiertagen um Münzen zu spielen, hat wenig mit den Makkabäern oder dem traditionellen Chanukkagelt zu tun. Der Ursprung liegt woanders

von Ayala Goldmann  12.12.2025