Finale

Der Rest der Welt

Ab in die Hütte Foto: picture-alliance/ dpa

Antwerpen ist die Stadt der Superhelden! Knallharte Typen, mit Pejes und Strejmel, die sich vor nichts fürchten. Der ganz große Showdown ist jedes Jahr zu Sukkot, wenn viele Juden beim Betreten ihrer Sukka Kopf und Kragen riskieren und stahlharte Nerven unter Beweis stellen!

Denn viele der Laubhütten hängen direkt über dem Abgrund, gehalten nur von einigen eilig festgeschraubten Haken und Stahlträgern. Es hat nun mal nicht jeder einen Balkon ohne Überdachung, auf dem man eine Sukka bauen könnte, und alle anderen müssen entweder zu jeder Mahlzeit bei Verwandten und Freunden unterkommen oder selbst kreativ tätig werden. Da wird dann – meist unter Zuhilfenahme eines findigen Architekten und vieler Handwerker – der Balkon nach vorne, nach links oder rechts vergrößert und ausgebaut, und die Mahlzeiten in luftiger Höhe werden für viele meiner Freundinnen zur Nervenprobe.

Gabel Die meisten kriegen von der Festmahlzeit in der Sukka nicht viel runter, entweder, weil sie die Augen fest zupressen, bis alles vorbei ist, oder weil sie vor lauter Angstschlottern die Gabel nicht festhalten können, oder weil sie so sehr mit dem Aufsagen von Notfall-Tehillim beschäftigt sind.

Dann gibt es andere Leute, die gehen noch einen Schritt weiter, wie meine neuen Nachbarn aus dem Stockwerk unter mir. Sehr nette Belzer Chassidim, Plutschnik heißen sie, die beschlossen haben, sich dieses Jahr – ganz ohne eigenen Balkon – eine Extrem-Sukka zu bauen. Dazu muss man wissen, dass die Wohnungen in meinem Haus über Eck gebaut sind, mit kleinen Erkern links und rechts, sodass eine Art Schacht in der Mitte entsteht, und genau in diesem Schacht will Familie Plutschnik ihre Sukka haben.

Ein Architekt bringt an den Schachtwänden Stahlschienen an, auf denen das ganze Konstrukt dann ruhen soll. Schon bald stapfen Handwerker durchs Haus, Stahlschienen, Holzpaneele und viele Meter Wellplatten aus PVC hinter sich her schleifend, und einige Tage vor Sukkot steht das Kunstwerk endlich. Alle großen und kleinen Plutschniks tummeln sich in der Sukka, um kitschige Glitzerdeko aufzuhängen und das ganze wohnlich zu machen. Kurz vor dem Chag haben Plutschniks noch einen Ehekrach, weil sie unbedingt gefülltes Kraut zubereiten will, was ja bekanntlich sehr schwer im Magen liegt, während Herr Plutschnik, weil magenleidend, kein großer Fan dieser Speise ist.

Okay Und woher weiß ich das alles? Weil die Plutschniksche Sukka genau unter mein Schlafzimmer gebaut ist und mich nur ein hauchdünnes Reisig-Dach vom fröhlichen Plutschnik-Familienleben trennt. Leider ist mir zu spät klar geworden, dass mein vorschnelles Okay zu den Plutschnik-Bauplänen mir eine volle Woche den Schlaf rauben würde.

Denn jeden Abend Punkt acht steigt bei Plutschniks direkt unter meinem Fenster die ganz große Sukkot-Party, mit stimmungsvollen Nigunim voll »Oyboyboy« und »Aydayday«, mit dem fröhlichen Gekreisch der sechs kleinen Plutschniks und der übermächtigen Duftkulisse von gefülltem Kraut. Denn am Ende hat Frau Plutschnik sich natürlich durchgesetzt. In diesem Sinne: Chag Sameach und gute Verdauung.

Film

Spannend, sinnlich, anspruchsvoll: »Der Medicus 2«

Wieder hat sich Regisseur Philipp Stölzl kräftig vom Bestseller-Autor Noah Gordon anregen lassen

von Peter Claus  19.12.2025

Musik

Louis-Lewandowski-Festival hat begonnen

Der Komponist Louis Lewandowski hat im 19. Jahrhundert die jüdische Synagogenmusik reformiert. Daran erinnert bis Sonntag auch dieses Jahr ein kleines Festival

 18.12.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Bettina Piper, Imanuel Marcus  18.12.2025

Ausstellung

Pigmente und Weltbilder

Mit »Schwarze Juden, Weiße Juden« stellt das Jüdische Museum Wien rassistische und antirassistische Stereotype gleichermaßen infrage

von Tobias Kühn  18.12.2025

Kulturkolumne

Vom Nova-Festival zum Bondi Beach

Warum ich keine Gewaltszenen auf Instagram teile, sondern Posts von israelischen Künstlern oder Illustratorinnen

von Laura Cazés  18.12.2025

Neuerscheinung

Mit Emre und Marie Chanukka feiern

Ein Pixi-Buch erzählt von einem jüdischen Jungen, der durch religiöse Feiertage Verständnis und Offenheit lernt

von Nicole Dreyfus  18.12.2025

Zahl der Woche

1437

Funfacts & Wissenswertes

 18.12.2025

Revision

Melanie Müller wehrt sich gegen Urteil zu Hitlergruß

Melanie Müller steht erneut vor Gericht: Die Schlagersängerin wehrt sich gegen das Urteil wegen Zeigens des Hitlergrußes und Drogenbesitzes. Was bisher bekannt ist

 18.12.2025

Gastbeitrag

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum schweigt ihr?

Jan Grabowski fragt die deutschen Historiker, warum sie es unwidersprochen stehen lassen, wenn ein Holocaust-Experte für seine Forschungsarbeit diskreditiert wird

von Jan Grabowski  18.12.2025