Finale

Der Rest der Welt

So deutsch... Foto: Getty Images/iStockphoto

Finale

Der Rest der Welt

Jogginghose oder »Tatort«: Bin ich jetzt ein Fall fürs Integrationsamt?

von Eugen El  26.11.2020 13:05 Uhr

Wer hätte das gedacht: Ich lebe seit mehr als 23 Jahren in Deutschland! Sie können mich jetzt zu Recht »Alteingesessener« nennen. Und mit meinen 36 Jahren gelte ich ohnehin bald als »alter weißer Mann«.

Aber darum soll es hier nicht gehen. Ich möchte Ihnen nämlich etwas gestehen. Bitte leiten Sie das nicht ans zuständige Integrationsamt weiter! Denn nach fast zwei Dutzend Jahren verstehe ich einige grundlegende Dinge, die sich in diesem Land abspielen, nicht.

Münze Okay, anfangs habe ich noch darüber gestaunt, dass man einen Chip oder eine Münze in den Einkaufswagen stecken muss. Auch dass sich Türen in Zügen der Deutschen Bahn nicht selbstständig öffnen, kam mir außerirdisch vor. Aber daran habe ich mich schon lange gewöhnt.

Was mir aber bis heute Integrationskopfschmerzen bereitet, sind Szenen, die sich Wochenende für Wochenende – zumindest bei uns in Frankfurt – abspielen. Jeden Sonntagmorgen stehen unzählige Menschen – merkwürdigerweise vor allem Männer in bequemer Jogginghose – vor einer Bäckerfiliale an. Sie tun es mit einer Leidenschaft und Hingabe, die sich mir einfach nicht erschließt.

Noch eigenartiger finde ich, dass die Jogginghosenträger den Laden nach erfolgreichem Anstehen mit einer übervollen Brötchentüte verlassen. Deren Inhalt müsste locker für drei Familien reichen! Ich hoffe ja, dass bald eine große Wochenzeitung oder ein Nachrichtenmagazin mit dem extrem verkaufstauglichen Titelthema »Wir backen das – Diese Brötchen helfen uns jetzt durch die Krise« erscheint. Ich lese es garantiert!

Ritual Aber auch ein anderes Sonntagsritual habe ich in 23 Jahren nicht entschlüsseln können. Wissen Sie, warum sich so viele Deutsche aus voller Überzeugung den Tatort ansehen? Nicht wenige halten diese beamtengraue Krimiserie für Fernseh­avantgarde. Ich hoffe, dass entsprechende Kenntnisse nicht beim Einbürgerungstest abgefragt werden. Denn ich wünsche wirklich niemandem die erzwungene Bekanntschaft mit dieser Serie!

Last, but not least möchte ich über das wohl rätselhafteste deutsche Alltagsphänomen sprechen: »An Weihnachten nach Hause fahren«. Vor allem Großstädter scheinen es regelrecht zu zelebrieren. Fühlen die sich denn in ihrer Stadt, ihrem Viertel, ihrer Wohnung nicht zu Hause? Das frage ich mich jedes Mal, wenn ich »zwischen den Jahren« durch die leeren Straßen Frankfurts schlendere.

Film

Spannend, sinnlich, anspruchsvoll: »Der Medicus 2«

Nach zwölf Jahren kommt nun die Fortsetzung des Weltbestsellers ins Kino

von Peter Claus  25.12.2025

ANU-Museum Tel Aviv

Jüdische Kultobjekte unterm Hammer

Stan Lees Autogramm, Herzls Foto, das Programm von Bernsteins erstem Israel-Konzert und viele andere Originale werden in diesen Tagen versteigert

von Sabine Brandes  25.12.2025

Menschenrechte

Die andere Geschichte Russlands

»Wir möchten, dass Menschen Zugang zu unseren Dokumenten bekommen«, sagt Irina Scherbakowa über das Archiv der von Moskau verbotenen Organisation Memorial

 25.12.2025

Rezension

Großer Stilist und streitbarer Linker

Hermann L. Gremliza gehört zu den Publizisten, die Irrtümer einräumen konnten. Seine gesammelten Schriften sind höchst lesenswert

von Martin Krauß  25.12.2025

Glastonbury-Skandal

Keine Anklage gegen Bob-Vylan-Musiker

Es lägen »unzureichende« Beweise für eine »realistische Aussicht auf eine Verurteilung« vor, so die Polizei

 24.12.2025

Israel

Pe’er Tasi führt die Song-Jahrescharts an

Zum Jahresende wurde die Liste der meistgespielten Songs 2025 veröffentlicht. Eyal Golan ist wieder der meistgespielte Interpret

 23.12.2025

Israelischer Punk

»Edith Piaf hat allen den Stinkefinger gezeigt«

Yifat Balassiano und Talia Ishai von der israelischen Band »HaZeevot« über Musik und Feminismus

von Katrin Richter  23.12.2025

Los Angeles

Barry Manilow teilt Lungenkrebs-Diagnose

Nach wochenlanger Bronchitis finden Ärzte einen »krebsartigen Fleck« in seiner Lunge, erzählt der jüdische Sänger, Pianist, Komponist und Produzent

 23.12.2025

Hollywood

Ist Timothée Chalamet der neue Leonardo DiCaprio?

Er gilt aktuell als einer der gefragtesten Schauspieler. Seine Karriere weckt Erinnerungen an den Durchbruch des berühmten Hollywood-Stars - der ihm einen wegweisenden Rat mitgab

von Sabrina Szameitat  22.12.2025