Finale

Der Rest der Welt

Träumen von Samantha Fox oder Als ich ein Teenager war

 12.03.2020 12:03 Uhr

Ikone der 80er-Jahre: Samantha Fox Foto: imago stock&people

Träumen von Samantha Fox oder Als ich ein Teenager war

 12.03.2020 12:03 Uhr

Ich bin seit 30 Jahren religiöser Jude. Vor meiner Barmizwa hielt ich weder den Schabbat noch betete ich am Morgen. Dass ich ab meinem 13. Lebensjahr die Gebote mehr oder weniger hielt, habe ich meinem Religionslehrer zu verdanken.

Laster Er hat mir immer wieder eingetrichtert, dass nur das religiöse Judentum das Richtige ist und alle anderen weltlichen Probleme wegbläst. Weltliche Probleme hatte ich mit 13 Jahren wenige. Mein größtes Laster war Samantha Fox, das Busenwunder der 80er-Jahre. Ich hoffe, ich darf das in dieser heiligen Zeitung schreiben: Ich dachte nur an sie.

Samantha Fox war eine sehr hübsche Engländerin, die auch in Schweizer Zeitschriften Gastbeiträge in Form von Oben-ohne-Fotos hatte.

Heute ist mir das peinlich. Ich ging in eine orthodoxe Synagoge in Zürich. Ein Rabbi mit vielen Kindern sprach mich an. Er lud mich zum Frühstück ein und wollte mich einmal die Woche unterrichten. Doch schon beim ersten Treffen fragte er mich, ob ich unkoschere Gedanken hätte. Ich guckte ihn entsetzt an. Wer hat ihm das erzählt? Er beruhigte mich: »Niemand.«

Sünde Mein Gang und meine Augen hätten mich jedoch verraten, erklärte er. Ich guckte verschämt auf den Boden. Er kenne viele Jungen, die so denken würden, sagte er. Er habe sie alle heilen können von dieser Sünde. Ich atmete auf.

Denn mein schlechtes Gewissen plagte mich damals unentwegt. Heute denke ich anders darüber. Der Rabbi erklärte mir seinen Plan: Jedes Mal, wenn ich dieses gewisse Gefühl verspüre, sollte ich ihn kurz anrufen. Schon am nächsten Morgen wählte ich seine Telefonnummer. Am anderen Ende der Leitung war seine hübsche Tochter, ein Mädchen in meinem Alter.

Sie fragte mich, ob sie ihrem Vater etwas ausrichten soll. Ich zögerte. Die Wahrheit erzählen – ist ja auch ein Gebot im Judentum. Andererseits … Da war zum Glück bereits der Rabbi am Telefon. Ich schilderte ihm meine Nöte.

Ehefrau Im Hintergrund hörte ich Kindergebrüll und eine genervte Ehefrau. »Beni, geh raus, spazieren! Das hilft in den meisten Fällen.« Ich ging raus und spielte Fußball. Die ganze Zeit dachte ich an die Tochter des Rabbis und an Samantha Fox. Ich rief ihn nochmals an. Und wieder war die Tochter am Apparat. Sie war ähnlich neugierig wie ihr Vater.

Im Hintergrund hörte ich ihre vier Brüder und sieben Schwestern. »Ist dein Vater da?« »Nein«, antwortete sie. »Der ging raus spazieren.« Ich legte auf. Der Rabbi denkt also auch an andere Frauen. Mein Problem ist also weit verbreitet und vielleicht gar kein Problem. Das entlastete mich ungemein. Zum Rabbi aber ging ich nie wieder.

Humor

Ausstellung »#Antisemitismus für Anfänger« eröffnet

Das Stuttgarter Haus der Geschichte zeigt eine sehr sehenswerte Ausstellung

 02.10.2023

Glosse

Warum Israelis die mit großem Abstand nervigsten Touristen überhaupt sind

Ein Erfahrungsbericht

von Ralf Balke  02.10.2023

Katarzyna Wielga-Skolimowska

»Die documenta muss die meiste Arbeit selbst leisten«

Die Leiterin der Kulturstiftung des Bundes über die Zukunft der Weltkunstschau in Kassel und wie der Kulturbetrieb mit der antisemitischen BDS-Bewegung umgehen sollte

von Ayala Goldmann  02.10.2023

Fernsehen

»Babylon Berlin«: Neue Staffel wirft Blick auf Judenhass

Die Unterwelt fechtet einen blutigen Krieg um die Vorherrschaft in der Hauptstadt aus

von Julia Kilian  01.10.2023

TV-Kritik

Sagenhaftes Unbehagen

Im ZDF diskutierten Gregor Gysi, Deborah Feldman und Manfred Lütz über Gott und die Welt - und über Israel

von Michael Thaidigsmann  29.09.2023

Zahl der Woche

800 Quadratmeter

Fun Facts und Wissenswertes

 29.09.2023

Verriss

Toxisch

Deborah Feldmans neues Buch »Judenfetisch« strotzt vor Israelhass – verwurzelt im Antizionismus der Satmarer Sekte, in der die Autorin aufwuchs

von Daniel Killy  28.09.2023 Aktualisiert

Film

Inszenatorisches Understatement

Barbara Albert hat sich an Julia Francks Bestseller »Die Mittagsfrau« gewagt. Sie schildert – teils sperrig – ein deutsch-jüdisches Schicksal

von Jonathan Guggenberger  28.09.2023

Mark Ivanir

»Den Nazis eine reinhauen«

Ein Interview mit dem Schauspieler über seine Rolle als jüdischer Gangster in der vierten Staffel von »Babylon Berlin«

von Ayala Goldmann  28.09.2023