Finale

Der Rest der Welt

Ist doch toll, von einer »Yid Army« unterstützt zu werden, auch wenn man kaum noch jüdische Spieler hat. Foto: dpa

Leider bin ich, was Fußball angeht, kein gutes Beispiel für die Frauenbewegung. Es interessiert mich einfach nicht. Am 8. Juni 2008 habe ich zum letzten Mal ein Fußballspiel angeregt verfolgt. Nicht aus sportlichen Gründen. Bei der EM spielte in Klagenfurt Deutschland gegen Polen. Mein neuer Freund wollte das Spiel sehen. Meine Eltern sollten den Freund kennenlernen.

Alle saßen in meinem Kreuzberger Wohnzimmer. Die Übertragung mit DVBT-Fernsehen hatte eine Sekunde Verzögerung. Mein Vater beobachtete das Spiel aufmerksam. Meine Mutter gab leidenschaftliche Kommentare für Polen und gegen die Deutschen ab. Dann schlief sie ein.

Wohnzimmer Das Spiel lief gut, in jeder Beziehung. Podolski traf zweimal für Deutschland. Auf der Straße wurde schon gejubelt, als in meinem Wohnzimmer der Ball noch ins Tor rollte. Mein Vater unterhielt sich gut mit meinem Freund. Knapp zwei Monate später bekam ich einen Heiratsantrag.

Wir sind jetzt mehr als elf Jahre verheiratet. Mein Mann behauptet, ich hätte das Interesse an Fußball damals nur geheuchelt, um meine Chancen bei ihm zu verbessern. Wahr ist, dass ich nach unserer Hochzeit nur noch gelegentlich Fußball schaue. Ohne Podolski, Klose und Lahm macht es keinen Spaß mehr. An neue Männer will ich mich nicht gewöhnen. Manchmal schaue ich trotzdem ein bisschen bei der WM zu.

Red Bull Arena Die Champions League ist mir zu kompliziert. Aber am 10. März spielt Leipzig in der Red Bull Arena gegen Tottenham Hotspur. Bis vor ein paar Tagen wusste ich noch nichts über Tottenham. Bis die Jewish Telegraphic Agency berichtete, dass der Verein sich bei den Herausgebern des Oxford English Dictionary beschwert hat, weil in die neue Ausgabe das Wort »yiddo« aufgenommen wurde. Zur Erklärung, heißt es: »Jude. In erweitertem Sprachgebrauch auch: Fan oder Spieler des Tottenham Hotspur Football Clubs«.

Ich verstehe das Problem von Tottenham nicht. Ist doch toll, von einer »Yid Army« unterstützt zu werden, auch wenn man kaum noch jüdische Spieler hat. Vielleicht gibt es auf dem Schwarzmarkt noch Karten für die Red Bull Arena?

Bialys Falls nein, backe ich uns Bialys – auch ein neues Wort im Oxford English Dictionary. Die essen wir dann auf dem Sofa. Bagels schmiere ich keine – laut »Oxford« »Slang. US: Abwertend und beleidigend. Eine jüdische Person«. Das geht gar nicht. Vielleicht lade ich ein paar jüdische Freunde ein und mache ein Fußball-»farbrengen« (»chassidische Zusammenkunft, üblicherweise mit Essen, Trinken und Singen, besonders am Schabbat«). Obwohl, der 10. März ist ein Dienstag.

Mein Mann wird als Sachse bestimmt auf der Seite von Leipzig sein. Aber wenn ich einmal in zwölf Jahren Fußball schaue, dann soll meine Mannschaft gewinnen! Bleibt nur zu hoffen, dass Tottenham das Spiel nicht »farkakt« (laut Oxford-Wörterbuch: »Covered in excrement. Rare«). Aber warum sollten meine Helden, die »Yiddos«, ein Fußballspiel gegen Sachsen vergeigen – bei solch treuen Fans wie mir?

Fernsehen

Luftraum in Israel gesperrt: »Fernsehgarten« ohne Kiewel

Die Moderatorin lebt in Tel Aviv - doch zu ihrer Jubiläumssendung konnte sie nicht anreisen

 15.06.2025

Leo Baeck Institut

»Die Wissenschaft ist keine Oase«

Michael Brenner über das vor 70 Jahren gegründete Archiv der Geschichte und Kultur des deutschsprachigen Judentums, freie Forschung und bedrohte Demokratie

von Ayala Goldmann  15.06.2025

Kunst

Öffnet die Herzen!

Die Israelin Bracha Lichtenberg Ettinger fordert mit einer intensiven Einzelschau in Düsseldorf die Besucher heraus

von Eugen El  15.06.2025

Interview

Susan Sideropoulos über Styling-Shows und Schabbat

GZSZ-Star Susan Sideropoulos hat im ZDF die neue Makeover-Show »That’s My Style«. Nur wenige wissen jedoch, wie engagiert die Enkelin jüdischer NS-Opfer gesellschaftspolitisch ist

von Jan Freitag  13.06.2025

Aufgegabelt

Pastrami-Sandwich

Rezepte und Leckeres

 12.06.2025

Streaming

Doppelte Portion Zucker

Mit »Kugel« ist den Machern der Kultserie »Shtisel« ein vielschichtiges Prequel gelungen

von Nicole Dreyfus  12.06.2025

TV-Tipp

Das Schweigen hinter dem Schweinderl

»Robert Lembke - Wer bin ich« ist ein kluger Film über Verdrängung, Volksbildung und das Schweigen einer TV-Legende über die eigene Vergangenheit. Nur Günther Jauch stört ein wenig

von Steffen Grimberg  12.06.2025

Kulturkolumne

Annemarie, Napoleon und ich

Gute Bücher wachsen mit, hat mein Großvater immer gesagt. Warum »Desirée« von Annemarie Selinko uns alle überleben wird

von Sophie Albers Ben Chamo  12.06.2025

Aufgegabelt

Himbeer-Sorbet mit Zaatar

Rezepte und Leckeres

 12.06.2025