Glosse

Der Rest der Welt

Blondinen haben es einfacher, oder? Foto: getty

Bisher habe ich in meinem Leben wenig Grund gesehen, Blondinen zu beneiden. Über dunkelhaarige Frauen werden weniger Witze gerissen, außerdem sind wir natürlich intelligenter. Doch die Wahrheit ist, dass blonde Frauen es besser haben: Alle vier Wochen muss ich inzwischen meine Ansätze färben, während meine blonden Freundinnen insgesamt nur ein Drittel der Summe zum Friseur tragen, die ich dort abdrücke.

Granny Style Als Kind habe ich meiner Mutter gepredigt, sie solle zu ihren grauen Haaren stehen. Doch selbst bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich mir weißes Haar nicht leisten kann – als aschkenasisches Bleichgesicht würde ich mindestens zehn Jahre älter aussehen.

Mittlerweile kann ich Ex-Kanzler Gerhard Schröder verstehen: Keiner soll merken, dass ich mir die Haare färbe. Deshalb war ich jahrelang Kundin eines Szenefriseurladens in Prenzlauer Berg, der für den Schnitt und die Behandlung mit exklusiver Bio-Haarfarbe 145 Euro verlangt. Weil der Laden so gefragt ist, wurde ich einmal zusammen mit anderen Kundinnen mit nassen Haaren auf den Bürgersteig geschickt, um die Farbe dort trocknen zu lassen, während die Nächsten drinnen Platz nahmen. Ich beschloss, den Friseur zu wechseln.

Bio-Haarfarbe Mein Herz schlug höher, als ich entdeckte, dass die Bio-Haarfarbe ihren Siegesfeldzug in Kreuzberg fortsetzt. Denn im Bergmannkiez, wo ich mehr als sechs Jahre gewohnt habe, ist mein Stammfriseur. Ich buchte sofort einen Termin. Leider kam ich zu spät, weil die U7 wegen Verzögerungen im Betriebsablauf ausfiel. Als ich keuchend im Friseurladen aufschlug, musste ich feststellen, dass sich der früher dezent hippe Laden in eine Wellness-Oase verwandelt hatte.

Leider kam ich zu spät, weil die U7 wegen Verzögerungen im Betriebsablauf ausfiel.

Stress »Wann können wir anfangen?«, fragte ich den Friseur. Der antwortete mir, er lasse sich nicht stressen. »Ich muss meinen Sohn in drei Stunden von der Schule abholen«, wandte ich ein. »Das wird knapp«, meinte der Friseur lakonisch. »Ich bin extra nach Kreuzberg gekommen!«, sagte ich wütend. »Ich glaube, bei uns stimmt die Chemie nicht«, erklärte der Friseur. Er könne in meinem gestressten Zustand keine Beziehung zu mir aufbauen.

»Brauchen Sie auch nicht, ich will nur einen Haarschnitt«, sagte ich. Der Friseur beschwerte sich bei seiner Chefin, ich hätte ihn gedemütigt wie niemand je zuvor in seinem Leben. So könne er nicht arbeiten.

SO 36 Ich beschwerte mich vergeblich über den miserablen Service und rannte durch ganz Kreuzberg zur Konkurrenz. In SO 36 gibt es noch einen Friseur, der die Bio-Haarfarbe verwendet. Der war sogar nett. Aber inzwischen ist auch dieser Laden so hipp geworden, dass es nicht mal am Wochenende Termine gibt.

Bisher hat nicht einmal mein Mann den Unterschied gemerkt.

Mir blieb schließlich nichts anderes übrig, als zu konventioneller Haarfarbe zurückzukehren. Immerhin ein Trost: Bisher hat nicht einmal mein Mann den Unterschied gemerkt. Ich verschwende jetzt keine Zeit mehr damit, mich über Friseure zu ärgern. Aber in meinem nächsten Leben möchte ich als Blondine wiedergeboren werden.

Medien

»Besonders perfide«

Israels Botschafter wirft ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann Aktivismus vor. Die Hintergründe

 18.07.2025

London

Kneecap und Massive Attack wollen andere israelfeindliche Bands unterstützen

Einige der Initiatoren einer neuen Initiative verherrlichten den palästinensischen und libanesischen Terror auf der Bühne. Andere verglichen das Vorgehen Israels gegen die Hamas mit dem Holocaust

von Imanuel Marcus  18.07.2025

Darmstadt

Literaturpreise für Dan Diner und Ilma Rakusa

Diner habe die Geschichte des Judentums immer wieder als »Seismograph der Moderne« verstanden, begründete die Jury die Wahl

 18.07.2025

Nachruf

Nie erschöpfter, unerschöpflicher Herrscher des Theaters

Claus Peymann prägte das Theater im deutschen Sprachraum wie nur wenige andere. Nun ist er in Berlin gestorben. Erinnerungen an einen Giganten der Kulturszene

von Christian Rakow  18.07.2025

Kulturpolitik

Weimer sieht autoritäre Tendenzen im Kulturbetrieb

Attacken auf das weltberühmte Bauhaus und steigende Judenfeindlichkeit: Nach Einschätzung von Kulturstaatsminister Weimer steht der Kulturbetrieb zunehmend unter Druck

von Katrin Gänsler  18.07.2025

Tournee

Bob Dylan auf drei deutschen Bühnen

Das Publikum muss sich bei den Vorstellungen der lebenden Legende auf ein Handyverbot einstellen

 18.07.2025

Marbach

Israelische Soziologin Eva Illouz hält Schillerrede

Illouz widme sich dem Einfluss wirtschaftlichen Denkens und Handelns und greife damit Widersprüche kulturgeschichtlich auf, hieß es

 17.07.2025

Musik

1975: Das Jahr großer Alben jüdischer Musiker

Vor 50 Jahren erschienen zahlreiche tolle Schallplatten. Viele der Interpreten waren Juden. Um welche Aufnahmen geht es?

von Imanuel Marcus  17.07.2025

Interview

»Eine Heldin wider Willen«

Maya Lasker-Wallfisch über den 100. Geburtstag ihrer Mutter Anita Lasker-Wallfisch, die als Cellistin das KZ Auschwitz überlebte, eine schwierige Beziehung und die Zukunft der Erinnerung

von Ayala Goldmann  17.07.2025 Aktualisiert