Glosse

Der Rest der Welt

Oh wie schön ist Antwerpen – ohne Erbsensuppen-Nebel. Foto: Getty Images / istock

Glosse

Der Rest der Welt

Erbsensuppennebel oder Warum nicht alles glitzert

von Margalit Edelstein  10.01.2019 10:13 Uhr

Auf YouTube sah doch alles so schön aus: »Romantischer Winter Walk an Antwerpens zauberhaften Ufern« stand da. Glitzernde Lichter umranden die Antwerpener Schelde, rotbackige Familien wärmen sich an knisternden Lagerfeuern. Tickets zum Vorbestellen zum Familienpreis!

Da ich bei allem, auf dem »Familienpreis« steht, zwanghaft zugreifen muss, fanden wir uns einige Tage später in der Nähe des Flussufers ein, um uns also an der glitzernden Winterwelt zu erfreuen. Es glitzerte aber nicht.

KÄLTE Denn es gab den berühmten Antwerpener Erbsensuppennebel, der zur einen Hälfte aus Smog und zur andere Hälfte aus übel riechendem Schelde-Wasser besteht. So standen wir also auf einem matschigen Parkplatz und konnten den Eingang zur zauberhaften Winterwelt partout nicht finden. Aus der Ferne kamen zwei schwach-gelbe Lichter näher.

Der Parkwächter scheuchte uns vom Parkplatz in Richtung Eingang.

Ich schluckte. Meine Kinder klapperten mit den Zähnen. Plötzlich drang eine schlecht gelaunte Stimme aus dem Nebel: Der Parkwächter, in jeder Hand ein Neon-Knicklicht, scheuchte uns vom Parkplatz in Richtung Eingang.

Unsere Erleichterung währte nur kurz, denn nachdem sich der Nebel ein wenig lichtete, konnten wir circa fünf Dutzend andere Familien ausmachen, die vor uns in der Schlange zum Eingang standen. Die Kälte ignorierten wir, ebenso den braun-grünlichen Schlamm, der langsam durch die Sohlen sickerte. Winkten uns in der Winter-Wunderwelt doch Glühweinstände und Frittenbuden, ein romantisches Feuerwerk auf dem See und ganz am Ende eine Winter-Disko.

taschentuchvorrat Endlich standen wir am Eingang. Ein Team in neongrüner Aufmachung drückte uns ebenso neongrüne Armbänder in die Hand, ein paar Leuchtsticks, eine Landkarte und einen Kompass. Einen Kompass? Ich starrte auf mein Ticket. Da stand es, ganz klein gedruckt: »Willkommen zum Antwerp Survival Trail.«

Meine Familie durchbohrte mich mit bösen Blicken. Aber: Es gab kein Zurück! Und so quälten wir uns während der nächsten zweieinhalb Stunden durch sumpfiges, stinkendes Gelände voller kratziger Sträucher und wassergefüllter Schlaglöcher. Bald setzte ein leichter Nieselregen ein.

Ich fühle mich sehr einsam, seit meine Familie nicht mehr mit mir redet.

Meine Familie hatte aufgehört, mit mir zu reden, der Taschentuchvorrat war aufgebraucht, eines der Kinder wimmerte leise vor sich hin. Aber: Wir hatten es geschafft! Mit letzter Kraft – und als allerletzte der 184 teilnehmenden Familien – schleiften wir uns um kurz vor Mitternacht über die Ziellinie. Gerade, als die letzten Budenbesitzer und der DJ ihren Kram zusammenpackten. Nur ein paar Suppenpfützen und aufgeweichte Pappbecher blieben zurück.

YOUTUBE »Guckt mal, die haben das Event schon auf YouTube gestellt«, sagte ich. »War anscheinend echt toll, die ›Glow in the Dark‹-Disko, und hier, das Feuerwerk: Schön, nicht?« Stille.

Einige Tage sind nun vergangen. Ich fühle mich sehr einsam, seit meine Familie nicht mehr mit mir redet. Vielleicht sollten wir irgendetwas zusammen unternehmen? Stichwort Bonding. Es gibt da die Neujahrs-Tour durch Antwerpen …

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  10.12.2025

Kalender

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 11. Dezember bis zum 17. Dezember

 10.12.2025

Debatte

Wie umgehen mit Xavier Naidoo?

Der Sänger kehrt auf die großen Bühnen zurück. Ausverkaufte Hallen treffen auf Antisemitismus-Vorfälle, anhängige Verfahren und eine umstrittene Entschuldigung - und auf die Frage, wie man heute dazu steht

von Stefanie Järkel, Jonas-Erik Schmidt  10.12.2025

Neuerscheinung

Albert Speer als Meister der Inszenierung

Wer war Albert Speer wirklich? Der französische Autor Jean-Noël Orengo entlarvt den gefeierten Architekten als Meister der Täuschung – und blickt hinter das Image vom »guten Nazi«

von Sibylle Peine  10.12.2025

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  09.12.2025

Zahl der Woche

2 Jahre

Fun Facts und Wissenswertes

 09.12.2025

Sehen!

»Golden Girls«

Die visionäre Serie rückte schon in den jugendwahnhaftigen 80er-Jahren ältere, selbstbestimmt männerlos lebende Frauen in den Fokus

von Katharina Cichosch  09.12.2025

Film

Woody Allen glaubt nicht an sein Kino-Comeback

Woody Allen hält ein Leinwand-Comeback mit 90 für unwahrscheinlich. Nur ein wirklich passendes und interessantes Rollenangebot könnte ihn zurück vor die Kamera locken.

 09.12.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Von Kaffee-Helden, Underdogs und Magenproblemen

von Margalit Edelstein  08.12.2025