Finale

Der Rest der Welt

Oma hat andere Pläne: »Ich müsste den Nazis einfach aus meinem Leben erzählen, dann werden sie schon verstehen.« Foto: Getty Images / istock

Was man in Sachen Chemnitz tun könnte, fragte ich mich neulich gemeinsam mit einem Freund. Er reiste gerade durch Israel und hatte, ehrlich gesagt, gar keine Lust, sich das zu überlegen. Er wollte lieber das chaotische Heilige Land genießen. Doch ich sitze nun einmal in diesem chaotischen, unheiligen Land voller Nazis und hatte Redebedarf.

Man könne eigentlich nichts tun, meinte ich: Prangert man sie an, läuft man Gefahr, ihren Unmut zu verstärken; redet man mit ihnen, fühlen sie sich womöglich noch legitimiert; filmt man sie, provoziert man unnötig. Kurzum: Stört man sie da­rin, Nazis zu sein, werden sie ungehalten. Sie sind nun mal sehr sensibel.

Karl-Marx-Statue »Verwöhnte Schmocks«, dachten wir beide und hatten schließlich die ideale Lösung: eine richtige Besetzung! Ein Heer jüdischer Mames müsste in Ostdeutschland einmarschieren und für Ordnung sorgen. Ich sah sie schon vor mir, wie sie der Chemnitzer Karl-Marx-Statue eine Kippa aufsetzten und dann systematisch begannen, die Nazis zu erziehen.

Meine Oma würde erklären, wie Autogenes Training helfen könnte, sich zu entspannen, wenn sie wütend sind. Und dass sie das mit dem Hitlergruß gefälligst lassen sollten. Das sei zum einen daneben und zum anderen ungesund – stattdessen würde sie ihnen beidseitige Gymnastik empfehlen.

Die jüdischen Mames würden die Schmocks mit Chuzpe und Charme richtig erziehen. Und bevor die ersten Nazi-Flüsterer jetzt sagen: »Na ja, das kann ja auch schiefgehen, vielleicht werden sie bei so nervigen jüdischen Frauchen erst recht antisemitisch« – dafür plane ich Stufe zwei ein: Tscholent für Nazis. Danach ist keiner mehr in der Lage zu protestieren, nicht einmal mehr den rechten Arm zu heben.

Wäre das Format erfolgreich, würden wir es selbstverständlich in Westdeutschland fortsetzen, da gibt es schließlich auch genügend Rechtsextreme. Ich könnte mir zudem ein Spin-off vorstellen, mit türkischen Annes, die sich um ein paar Juden mit antimuslimischen Tendenzen kümmern.

Minderheiten Aber nicht nur die Nazis benötigen offensichtlich Hilfe von jüdischen Mames, selbst manche Politiker könnten dieser Tage ihre Beratung gebrauchen, zum Beispiel wenn nach der Gewalt gegen Minderheiten die Rede davon ist, es habe kein Pogrom gegeben. Meine Großmutter würde in diesem Fall ganz sicher eine Brille empfehlen und Urlaub – für eine klarere Sicht der Dinge und besseren Durchblick.

Ich rief sie also zwecks Rekrutierung an. Man kann gegen Nazis sagen, was man will, aber immerhin wecken sie Omas Lebensgeister. Von der Idee der Besatzung hielt sie allerdings nichts. Sie hatte andere Pläne: »Ich müsste den Nazis einfach aus meinem Leben erzählen, dann werden sie schon verstehen.« Und für den unwahrscheinlichen Fall, dass das nichts bringt, hat meine Großmutter uns wenigstens eine Verschnaufpause verschafft – denn sie hat wirklich sehr viel zu erzählen.

Facebook-Gründer Zuckerberg zum dritten Mal Vater geworden 

 24.03.2023

Berlin

Joachim Gauck und Herta Müller fordern Unterstützung für Exilmuseum

In der Hauptstadt entsteht ein Museum über die Vertreibung aus Deutschland während der NS-Zeit und heutige Fluchtbewegungen

von Bettina Gabbe  24.03.2023

Legenden

Reporter und Revolutionär

Vor 75 Jahren starb Egon Erwin Kisch: Seine Reportagebände haben bis heute nichts an ihrer Faszination verloren

von Michael Heitmann  24.03.2023

Ausstellung

Liebermann-Villa zeigt Fotoporträts des Künstlers

Zu sehen sind 16 Aufnahmen von Liebermann und seiner Familie aus den Jahren 1905 bis 1932

 24.03.2023

NS-Geschichte

»Flashes of Memory« im Land der Täter

Im Berliner Museum für Fotografie wird eine Ausstellung mit Holocaust-Bildern aus der Sammlung Yad Vashems gezeigt

von Imanuel Marcus  23.03.2023

Medizin

»Wir sind Weltmeister im Operieren«

Der Orthopäde Martin Marianowicz fordert ein Umdenken bei der Behandlung von Rückenschmerzen

von Lilly Wolter  23.03.2023

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  23.03.2023

Klassik

Daniel Barenboim ist zurück

Orchester der Barenboim-Said Akademie gibt Debüt

 22.03.2023

arte

TV-Tipp: »Der Pantomime Marcel Marceau«

Er war ein Künstler, der Unsagbares ohne Worte vermittelte. Zu seinem heutigen 100. Geburtstag wird nun eine ganz besondere Doku ausgestrahlt

von Ulrike Cordes  22.03.2023