Finale

Der Rest der Welt

Immer schön cool bleiben! Foto: Thinkstock

Es ist 7.05 Uhr, Zeit für den ersten Nervenzusammenbruch des Tages. Ach nein, ich warte doch lieber, bis der Schulbus mit Emma und ihrer Klasse um die Ecke verschwunden ist. Weg sind sie, auf dem Weg zum Flughafen, wo sie in einen EL-AL-Flieger steigen und zu einer zehntägigen Israeltour aufbrechen werden. Am liebsten würde ich mir die Haare büschelweise ausreißen, so nervös bin ich. Die anderen Mütter sehen auch ziemlich zerknautscht aus. Rot geränderte Augen, tröpfelnde Mascara-Bächlein, wohin man blickt.

Erst als ich wieder im Auto sitze, merke ich, dass ich überhaupt nicht weiß, wo die Truppe heute übernachten wird. Ich scrolle nochmal panisch durch den Reiseplan, auf der Suche nach einer Adresse – nix! Niente! Panisch tasten meine Finger nach meinem Handy, um Emma anzurufen.

Handy Aber neeiiiiiinn!! Sie hat ja kein Handy dabei! Niemand hat sein Handy dabei! Dank des kategorischen Handyverbots für diese Reise. Ich hatte ja eins mitschmuggeln wollen und in Emmas Reisetasche im Unterwäschefach versteckt. Aber dann kam abends noch eine WhatsApp-Nachricht des Direktors: Sämtliche mitgebrachten Handys würden knallhart konfisziert.

Es folgte eine Voice-Message: »Liebe Mütter, wir kennen alle Tricks, auch den mit dem Unterwäschefach. Ja, auch den Trick mit der im Schuh versteckten Handy-Attrappe, während das echte Handy mit Tesa-Film am Kind selbst befestigt ist. Spart euch die Mühe, Mädels!« Na super. Gerade will ich vor Frust in mein Handy beißen, da macht es »Ping« … und es kommen erste Fotos aus dem Reisebus … uff, wie beruhigend. Gut, dass die mitreisenden Lehrkräfte ihre Pappenheimer so gut kennen.

Whatsapp Tatsächlich bin ich noch nie so intensiv mit WhatsApp-Nachrichten zugeknallt worden wie in den nun folgenden Tagen. Beruhigt kann ich nachverfolgen, dass Emma auf der gesamten Tour (Masada, Totes Meer, Kinneret, Orangenernte im Kibbuz) pflichtgemäß ihren Sonnenhut aufhat, dass irgendwer ständig Eden-Wasserflaschen an die Kids austeilt und diese – ich zoome heran – auch immer ausgetrunken werden.

Ich verfolge mit Genugtuung, wie Emma immer intensiver braun wird, und dass sie – ich zoome näher heran – auch immer schön ihre Sonnencreme aufträgt. Erst am späten Freitagnachmittag wird mir mulmig – wegen der herannahenden 24-Stunden-Auszeit. Am Schabbat gibt’s natürlich keine Fotos.

Jetzt wäre der ideale Zeitpunkt für ein Valium. Oder besser, ich rufe meine Mutter an. Obwohl ich schon weiß, was sie mir sagen wird: Als ich in dem Alter war und Masada bestiegen habe, war das Handy noch gar nicht erfunden. Und trotzdem, trotzdem hat meine Mutter mich gehen lassen, weil sie wusste, ich würde glücklich sein.

Rugelach Aber stattdessen erzählt meine Mutter mir etwas ganz anderes: Ich soll am Samstagfrüh um neun Uhr, aber nicht vorher, die oberste Schublade im Gefrierfach checken. Hmm? Woher weiß Muttern, dass dort mein geheimer Vorrat versteckt ist, den ich Freitagnacht aus lauter Kummer plündern wollte? Sehr seltsam.

Aber ich reiße mich zusammen und fische erst Samstagfrüh ein Päckchen Rugelach aus der Gefriertruhe. Mit einem Briefchen von Emma drin! Und was steht darauf? »I love you, Mama!« Auch Emma kennt anscheinend ihre Pappenheimer.

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 28. August bis zum 4. September

 27.08.2025

Sachbuch

Die Gruppe 47, Günter Grass und die ersten »Shitbürger«

»WELT«-Herausgeber Ulf Poschardt rechnet in seinem neuen Bestseller »Shitbürgertum« auch mit der Kontinuität des deutschen Judenhasses ab. Ein exklusiver Auszug

von Ulf Poschardt  27.08.2025

Filmfestspiele

Gal Gadot wird zur Hassfigur in Venedig

In einem offenen Brief verlangen 1500 Unterzeichner die Ausladung der israelischen Schauspielerin von den Filmfestspielen. Doch die hatte offenbar nie die Absicht, nach Venedig zu kommen

von Nicole Dreyfus  27.08.2025

Atlanta

Woody Allen verteidigt Auftritt bei Moskauer Filmfestival

In einem CNN-Interview legt der Regisseur und Schauspieler dar, warum er an dem russischen Event teilnahm

 27.08.2025

Essay

Übermenschlich allzumenschlich

Künstliche Intelligenz kann Großartiges leisten. Doch nicht zuletzt die antisemitischen Ausfälle von Elon Musks Modell »Grok« zeigen: Sie ist nicht per se besser als ihre Schöpfer. Ein alter jüdischer Mythos wirft Licht auf dieses Dilemma

von Joshua Schultheis  27.08.2025

Archäologie

Vorform der Landwirtschaft: Steinsicheln für die Getreideernte

Funde aus einer Höhle in Zentralasien stellen Annahmen zur Entstehung der Landwirtschaft infrage. Offenbar liegen deren Ursprünge nicht nur in der Region Vorderasien, die auch das heutige Israel umfasst

von Walter Willems  26.08.2025

Digital

Initiative von Heidelberger Hochschule: Neuer Podcast zum Judentum

»Jüdische Studien Heute« als Podcast: Das neue Angebot der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg will alle zwei Wochen Forschungsthemen aufgreifen und Einblicke in die jüdische Lebenswelt bieten

von Norbert Demuth  26.08.2025

Zahl der Woche

1902

Fun Facts und Wissenswertes

 26.08.2025

TV-Tipp

»Barbie« als TV-Premiere bei RTL: Komödie um die legendäre Puppe

Im ersten Realfilm der 1959 von Ruth Handler erfundenen Puppe ist Barbieland eine vor Künstlichkeit nur so strotzende Fantasie

von Michael Kienzl  26.08.2025