Finale

Der Rest der Welt

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Das Ende des Sommerlochs: Gott sei Dank ist bald September

von Naomi Bader  28.08.2017 18:04 Uhr

Das Sommerloch, es ist da, und ich sitze ganz tief drin. Vor lauter Langeweile habe ich es sogar gegoogelt. Ich fand einen gleichnamigen Ort in Rheinland-Pfalz. Da hab ich mich schon ein wenig besser gefühlt – zumindest gehöre ich nicht zu den etwa 430 Personen, die ganzjährig in Sommerloch wohnen. Nach der nur bedingt aufmunternden Suche im Netz warf ich deprimiert einen Blick in meinen Kalender: Nicht mehr lange bis Rosch Haschana.

Wer hätte gedacht, dass mich sogar der Ausblick auf einen Feiertag mit Familie aufheitern würde. Aber es wurde noch besser. Kurz darauf die Bundestagswahl, und dann: Jom Kippur. Ich atmete auf – perfekt!

Wahlkampf Meine bisherige Wahlkampfmethode lautete: Nett lächeln, politischen Diskussionen, wenn möglich, aus dem Weg gehen und, wenn nicht möglich, nur ein »Das sehe ich ein wenig anders« murmeln. Besonders natürlich, um den Familiensegen zu bewahren und nicht unnötig viele Freunde zu verlieren. Aber sogar, als mich vor Kurzem ein mir unbekannter Mann vom AfD-Wahlstand anquatschte, sagte ich, ganz höflich: »Sprechen Sie mich lieber nicht an«, um ihn und mich zu schützen! Diese Methode muss ich radikal ändern, um meiner Langeweile zu entkommen.

Meine Anleitung zur Bekämpfung des Sommerlochs – zumindest für Juden: Mit jedem – wirklich jedem – Streit um Innenpolitik, Außenpolitik und die zur Wahl stehenden Kandidaten anfangen. Dafür ist nicht mal besonders viel Kreativität gefragt.

Den Grünen-Wählern in meinem Freundeskreis erzähle ich, der Klimawandel sei eine Lüge, und berichte von meinen Plänen, bald ein Diesel-Auto zu kaufen. Vor SPD-Wählern erwähne ich beiläufig, dass der letzte Kanzler ohne Abitur in der deutschen Politik Adolf Hitler war.

Mutti Bei CDU-lern muss ich dann doch kreativ werden, schließlich wird sie der Vorwurf, Langweiler zu sein, die perspektivlos einer süß lächelnden Mutti hinterherlaufen, nicht sonderlich treffen.

Die FDP-Wähler, von denen es in meinem Freundeskreis zum Glück recht wenige gibt – weil Studenten –, werde ich fragen: »Lindner? Ist das nicht dieser dümmlich grinsende Boy-Group-Gitarrist, der Studiengebühren wieder einführen wollte?«

Die Familie knüpfe ich mir dann gebündelt an Rosch Haschana vor. Meine Mutter wird mir genauere Fragen zur Herkunft des Honigs beantworten müssen: Haben Freiluft-Bienen ihn hergestellt? Meinen Großeltern werde ich das deutsche Rentenproblem vorwerfen. Nie werde ich so entspannt und ohne schlechtes Gewissen gestritten haben wie 2017. Denn kurz nach dem Neujahrsfest kommt schon Jom Kippur, die beste Möglichkeit, die aufreibende Zeit vor den Wahlen schnell und elegant abzuhaken.

Öko Etwas stressig könnte allerdings der Entschuldigungsmarathon werden: Nein, du bist keine Öko-Tante, nur weil du dein Shampoo selbst mischst. Ja, du hast recht, natürlich kann man Schulz nicht einfach mit Hitler vergleichen.

Nein Papa, so bieder und konservativ bist du gar nicht, deine neuen neonfarbenen Turnschuhe sind doch total hip. Man wird mir verzeihen, schließlich ist Jom Kippur. Und wenn mir jemand nicht verzeiht, dann muss ich es eben mit Gott besprechen.

Was jeder Einzelne gewählt hat, muss er dann ja sowieso mit Ihm ausmachen. Schade, dass Gott vorab keine Wahlempfehlung gibt.

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