Kolumne

Der Rest der Welt

Es gibt Orte, die ich nur unter vorgehaltener Schusswaffe besuchen würde, wäre ich nicht Mutter eines dreijährigen Sohnes. Zu diesen Schauplätzen des Schreckens gehören Kindercafés. Erst heute Vormittag bin ich wieder 18 Euro losgeworden, für einen Brunch in allenfalls erträglicher Qualität, Beschallung mit nervtötender Musik, Bestechung des Kindes mit Gummibärchen durch Kellner (»Du darfst dir noch was zum Abschied raussuchen!«) und Gesellschaft von Muttis, die ich in freier Wildbahn niemals mit dem Hintern angeguckt hätte.

Nicht zu vergessen die Kerzen auf den Tischen, die mein Sohn ständig versuchte auszublasen. Sie sehen – ein zweifelhaftes Vergnügen. Aber was würden Sie machen, wenn es an einem Julisonntag in Berlin in Strömen regnet, das Kinderturnen wegen Sommerferien ausfällt und Ihr kleiner Bengel in der Wohnung so laut randaliert, dass Sie Mitleid mit den Nachbarn bekommen?

Richtig: Sie würden ins Kindercafé gehen. Und würden sich (wie ich heute Morgen) darüber freuen, dass es die »Süddeutsche« gratis gibt, dass in der deutschen Qualitätspresse ausnahmsweise mal kein Kritiker der Beschneidung zur Wort kommt – und Sie auch nicht Ihre wenigen, nach drei Jahren Mutterschaft verbliebenen Gehirnzellen mit der Lektüre von Elternzeitschriften noch weiter reduzieren müssen.

Klettergerüst Wie viele verregnete Nachmittage habe ich schon im Kindercafé verbracht, mit einem Auge vertieft in Artikel, überschrieben mit »Der richtige Zeitpunkt für den Abschied vom Schnuller« oder »Wie Mamis Loslassen lernen«, mit dem anderen Auge nach meinem Sohn schielend, damit er sich nicht an den Kerzen verbrennt. Damit Sie nicht denken, ich sei eine Rabenmutter: Die meiste Zeit habe ich natürlich nicht Zeitung lesend verbracht, sondern stand vor dem Klettergerüst, in der Rolle der Löwenmama, die versucht, hinter ihrem dreijährigen Löwenkind herzurennen – angefeuert von den Kommentaren meines Sohnes: »Du mich fressen!« »Du Fauch machen!« – und sich mit Plastikbällen bewerfen lässt.

Interessanterweise erfreuen sich Kindercafés gerade bei jüdischen Müttern besonderer Beliebtheit. Zugegeben, es ist einfacher, einen Geburtstag im Café zu feiern, als 17 Kinder nach Hause einzuladen (weniger als 17 ist unmöglich, sonst könnte jemand beleidigt und Ihr Ruf in der jüdischen Gemeinschaft nachhaltig geschädigt sein). Als mein Sohn ein Jahr alt wurde, haben auch wir zur Feier in ein Kindercafé geladen – es hatte eines der riesigsten Klettergerüste Berlins.

Als wir ein Jahr später das Café besuchen wollten, wurde das Gerüst gerade abgerissen. Inzwischen residiert dort ein Klamottenladen. Ich vermute, die Gewerbeaufsicht hat die Küche beanstandet. Aber vielleicht werde ich mich eines Tages noch nach den Tagen sehnen, in denen ich im Kindercafé als Löwenmama gefragt war. Spätestens, wenn mein Sohn 14 ist und mir fauchend die Tür seines Teenagerzimmers vor der Nase zuschlägt!

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  21.11.2025

TV-Kritik

Allzu glatt

»Denken ist gefährlich«, so heißt eine neue Doku über Hannah Arendt auf Deutsch. Aber Fernsehen, könnte man ergänzen, macht es bequem - zu bequem. Der Film erklärt mehr als dass er zu begeistern vermag

von Ulrich Kriest  21.11.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Bettina Piper, Imanuel Marcus  21.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  20.11.2025

Kino

»Fast ein Wunder«

Das israelische Filmfestival »Seret« eröffnete in Berlin mit dem Kassenschlager »Cabaret Total« von Roy Assaf

von Ayala Goldmann  20.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  20.11.2025

»Jay Kelly«

In seichten Gewässern

Die neue Netflix-Tragikomödie von Noah Baumbach startet fulminant, verliert sich dann aber in Sentimentalitäten und Klischees

von Patrick Heidmann  20.11.2025

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  20.11.2025