Finale

Der Rest der Welt

Den Schlapphut habe ich tief ins Gesicht gezogen, die überdimensionale Sonnenbrille balanciere ich auf der Nasenspitze. Dermaßen perfekt getarnt, drücke ich mich eng an die Backstage-Wand und hole mit zitternden Fingern mein Smartphone aus dem Ärmel. Dieses Phone ist so smart, dass es sogar um die Ecke filmen kann, was ich jetzt tue.

Denn dort ist die Bühne, auf der gerade meine Tochter Emma ihre Tanzvorstellung im Chabad Day Camp gibt, was heute Abend meine Facebook-Seite zieren soll. Gerade will ich auf »Zoom« drücken, da bohrt sich von hinten ein knochiger Finger zwischen meine Rippen. Es ist Nechama, die Obermadricha. Sie hat mich diese Woche schon dreimal beim verbotenen Filmen erwischt. (Chabad hat eine strikte »No Facebook, no film!«-Politik.)

strafarbeiten Die mir auferlegten Strafen waren jedes Mal drakonisch: Am Montag wurde ich zur Mesonot-Brötchenback-Assistentin ernannt, am Dienstag war ich Zwangs-Basteltante, am Mittwoch drückte mir die Obermadricha nur stumm Ajax Forte und eine Klobürste in die Hand. Heute Nachmittag verdonnert sie mich als Begleiterin in den Chabad-Tourbus. Gibt es etwas Schlimmeres, als in einem Bus mit 50 kreischenden Kleinkindern eingesperrt zu sein? Ja, das gibt es. Wenn man nämlich in diesem Bus Kotztüten-Dienst hat und im Zickzacklauf von einem würgenden Kleinkind zum nächsten hechten muss, um die Tüte vor die strategisch wichtigen Stellen zu halten und so das Schlimmste zu verhindern.

Danach beschließe ich, meine Paparazziaktivitäten professioneller anzugehen. Morgen ist nämlich große Kumsitz-Lagerfeuerparty am Strand, was ich natürlich unbedingt für die Ewigkeit festhalten muss! Aber auch mein Zahal-Camouflage-Outfit (komplett mit Tarnhelm, auf dem ich Zweige, Schlamm und Vogelnester drapiert habe) und mein perfektes Versteck hinter einer großen Düne bewahren mich nicht vor neuerlicher Enttarnung: Und so verbringe ich die nächsten Stunden mit einer Grillschürze direkt neben dem Lagerfeuer, wo der Ruß mein Make-up ruiniert und meine Fake French Nails sich in der Hitze nach oben hin aufrollen

geoutet Als ich nach diesem Debakel zu Hause ankomme, ist die letzte Aktion des Tages wie immer ein schneller Blick auf meinen Laptop mit meiner Facebook-Seite. Ungefähr 25 »You have been Tagged«-Nachrichten erwarten mich, und ich muss feststellen, dass irgendein Hirni alle meine schmachvollen Aktivitäten der letzten Woche auf Facebook veröffentlicht hat.

Man sieht mich mit mehlverkleisterter Frisur beim Brötchenbacken, wütend eine Klobürste schwingend, irgendeinem Gör hinterherjagen, mit rußgeschwärztem Gesicht und angesengten Haarspitzen ein verkohltes Würstchen in die Luft haltend … Nächstes Jahr stelle ich einen Profi zum Verdeckt-Filmen ein, vielleicht Ex-Mossad. Muss langsam mal anfangen, mich umzuschauen. Vielleicht mit einer Annonce auf Facebook.

Restitution

»Das Ausmaß hat uns überrascht«

Daniel Dudde über geraubte Bücher, Provenienzforschung an Bibliotheken und gerechte Lösungen

von Tobias Kühn  15.07.2025

Haskala

Medizin für die jüdische Nation

Aufgeklärte jüdische Ärzte sorgten sich um »Krankheiten der Juden«. Das wirkte auch im Zionismus nach

von Christoph Schulte  15.07.2025

Literatur

Vom Fremden angezogen

Die Schriftstellerin Ursula Krechel, Autorin des Romans »Landgericht«, wird mit dem Büchner-Preis ausgezeichnet

von Oliver Pietschmann  15.07.2025

Interview

»Eine Heldin wider Willen«

Maya Lasker-Wallfisch über den 100. Geburtstag ihrer Mutter Anita Lasker-Wallfisch, die als Cellistin das KZ Auschwitz überlebte, eine schwierige Beziehung und die Zukunft der Erinnerung

von Ayala Goldmann  15.07.2025

Musik

Zehntes Album von Bush: »Wie eine Dusche für die Seele«

Auf ihrem neuen Album gibt sich die britische Rockband gewohnt schwermütig, aber es klingt auch Zuversicht durch. Frontmann Gavin Rossdale hofft, dass seine Musik Menschen helfen kann

von Philip Dethlefs  15.07.2025

Medien

Die Deutsche Welle und Israel: Mitarbeiter werfen ihrem Sender journalistisches Versagen vor

Die Hintergründe

von Edgar S. Hasse  14.07.2025

TV-Tipp

Der Mythos Jeff Bridges: Arte feiert den »Dude«

Der Weg zum Erfolg war für Jeff Bridges steinig - auch weil der Schauspieler sich gegen die Erfordernisse des Business sträubte. Bis er eine entscheidende Rolle von den Coen-Brüdern bekam, die alles veränderte

von Manfred Riepe  14.07.2025

Musik

Der die Wolken beschwört

Roy Amotz ist Flötist aus Israel. Sein neues Album verfolgt hohe Ziele

von Alicia Rust  14.07.2025

Imanuels Interpreten (11)

The Brecker Brothers: Virtuose Blechbläser und Jazz-Funk-Pioniere

Jazz-Funk und teure Arrangements waren und sind die Expertise der jüdischen Musiker Michael und Randy Brecker. Während Michael 2007 starb, ist Randy im Alter von fast 80 Jahren weiterhin aktiv

von Imanuel Marcus  14.07.2025