Finale

Der Rest der Welt

In der jiddischen Folklore sind die Juden von Chelm das, was in Deutschland die Bürger von Schilda repräsentieren: Narren, die so dumm sind, dass sie sich für be-sonders schlau halten. So wird erzählt, dass der Rebbe von Chelm auf die Frage, welches Gestirn wichtiger sei, Sonne oder Mond, weise antwortete: »Natürlich der Mond. Denn er scheint nachts in der Dunkelheit. Die Sonne hingegen leuchtet am Tag, wenn es sowieso hell ist.«

Was wenige wissen: Viele Chelmer Juden haben Alija gemacht und sind nach Eretz Israel ausgewandert. Niedergelassen haben sie sich in der Stadt Lod nordöstlich von Tel Aviv. Dort pflegen ihre Nachkommen die heimatliche Tradition bis heute weiter. Wie israelische Zeitungen berichten, gibt es aktuell in Lod ein Lärmproblem.

Muezzin Nein, nicht wegen des nahe gelegenen Ben-Gurion-Flughafens. Schuld sind die Moscheen der Stadt. Von deren Minaretten ruft fünfmal täglich der Muezzin die 20.000 Muslime Lods zum Gebet. Eigentlich ist es kein Muezzin aus Fleisch und Blut, sondern nur die Aufnahme seiner Stimme vom Band oder von einer Audiodatei.

In jedem Fall ertönt der Ruf »Allahu akbar« – »Gott ist groß« – aber sehr laut. Zu laut für die 45.000 Juden des Orts, von denen sich etliche genervt fühlen und deshalb die Stadtverwaltung eingeschaltet haben. Die ist inzwischen auch aktiv geworden und hat Maßnahmen angekündigt. In anderen Städten würde man vielleicht die Lärmbelästigung minimieren, etwa indem man eine Dezibel-Obergrenze für das »Allahu akbar« verfügt.

In Lod dagegen ist man, ganz in Chelmer Tradition, auf eine viel bessere Idee gekommen. Was hilft gegen muslimischen Lärm? Noch mehr Lärm. Jüdischer Lärm. Lods Bürgermeister Yair Revivo von der Likud-Partei will die Minarette klanglich übertrumpfen. Aus eigens in der ganzen Stadt aufgestellten Lautsprechern soll demnächst fünfmal täglich, zur selben Zeit wie der Ruf des Muezzins, das Schma-Jisrael-Gebet erschallen: »Schma Jisrael« – »Höre Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr ist eins«. Bei der geplanten Lautstärke ist sicher, dass Israel tatsächlich hören wird beziehungsweise muss.

Dezibel Ein genialer Schachzug. Wer am lautesten »Gott« schreit, hat gewonnen. Nur werden die Muslime das wahrscheinlich nicht einfach still dulden. Nehmen wir an, das »Allahu Akbar« hat aktuell 120 Dezibel. Das »Schma Jisrael« übertönt es mit 130. Die Moscheen müssen dann nur ihre Lautsprecher auf 140 Dezibel aufdrehen, um die akustische Oberhoheit in Lod wiederzugewinnen.

Worauf die Juden ihrerseits zehn Dezibel drauflegen werden, die Muslime um weitere zehn erhöhen, die Juden dann verdoppeln, die Muslime ebenfalls – wie beim Pokern, bis einer pleite ist. Oder in diesem Fall, bis wahrscheinlich die Lautsprecher beider Seiten überlastet sind und mit einem letzten großen Knall ihren Geist aufgeben. Dann herrscht wieder Ruhe in Lod.

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. November bis zum 27. November

 20.11.2025

»Lolita lesen in Teheran«

Klub der mutigen Frauen

Der Israeli Eran Riklis verfilmt die Erinnerungen der iranischen Schriftstellerin Azar Nafisi an geheime Literaturtreffen in Teheran – mit einem großartigen Ensemble

von Ayala Goldmann  20.11.2025

Ausstellung

Sprayende Bildhauerin mit Geometrie

Das Museum Wiesbaden zeigt Werke Louise Nevelsons und eines Künstlerpaares

von Katharina Cichosch  20.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

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TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

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Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  19.11.2025

Magdeburg

Telemann-Preis 2026 für Kölner Dirigenten Willens

Mit der Auszeichnung würdigt die Landeshauptstadt den eindrucksvollen Umgang des jüdischen Dirigenten mit dem künstlerischen Werk Telemanns

 19.11.2025

Sachsen-Anhalt

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Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Kino

Unter erschwerten Bedingungen

Das »Seret«-Festival zeigt aktuelle israelische Filmkunst in Deutschland – zum ersten Mal nur in Berlin

von Chris Schinke  19.11.2025