Finale

Der Rest der Welt

Vor Kurzem habe ich ein Schachturnier für jüdische Kinder und Jugendliche organisiert. So etwas geht leichter als man denkt. Es braucht nur ein paar Spielbretter und ein großes Stück Papier, auf dem man die Ergebnisse notieren kann.

Schwieriger gestaltete sich die Suche nach Siegerpreisen. Ich schrieb so ziemlich sämtliche Schweizer Großunternehmen an und bat sie um – natürlich kostenlose – Überlassung von Produkten. In der Folge wurde ich fast überschwemmt mit Paketen. Deren Inhalt jedoch war ziemlich peinlich. Ich hatte von den reichen Firmen tolle Sachen erwartet, zum Beispiel ferngesteuerte Autos, Funkgeräte, notfalls Gutscheine. Stattdessen erhielt ich so viele Baseballcaps, dass ich einen chinesischen Parteikongress hätte ausstaffieren können. Außerdem Kugelschreiber, Bleistifte, Magnete und kleine Gummibälle.

Krimskrams Ich will nicht undankbar erscheinen. Aber was sollte dieser Quatsch? Wie will man mit Mützen oder Kugelschreibern junge jüdische Schachspieler motivieren, Großmeister in der Tradi-tion von Aljechin, Tal und den Polgar-Schwestern zu werden? Schlecht gelaunt legte ich am Tag des Wettbewerbs den Krimskrams auf den Gabentisch und spendete aus eigener Tasche zusätzlich noch eine Tafel Schokolade.

Das Turnier wurde dennoch ein Erfolg. Die jungen Spieler strengten sich an und prügelten sich beinahe. Bei der Siegerehrung verteilte ich dann kleine Pokale und erklärte die Regeln: Der Beste durfte sich als Erster etwas vom Tisch nehmen, danach der Zweite und so weiter. Meine Schokolade hat der Viertplatzierte genommen

Am nächsten Schabbat ging ich in die Synagoge, und zwar in die der Lubawitscher. Hier beginnt man später mit dem Gottesdienst und endet dennoch etwa zeitgleich mit den anderen Synagogen. Vorne bemerkte ich ein fremdes Gesicht. Ein Mann saß direkt beim Rabbiner. Ständig wurde ihm auf die Schulter geklopft. Sogar der Vater des Rabbiners, ein würdiger, weißbärtiger Rebbe, umarmte den Gast und brachte ihn mit einem Witz zum Lachen.

Ich erkundigte mich bei den anderen Betern, wer dieser Mann denn sei, und erhielt als Antwort: »Glasenberg, Ivan Glasenberg!« Der Name sagte mit nichts. »Wer ist das?«, fragte ich. »Der Chef von Glencore, 7 Milliarden Dollar schwer!« »Milliarden? Oder Millionen?«, hakte ich nach. Tatsächlich Milliarden, versicherte man mir. Ich guckte nochmals nach vorne. Gerade fasste der Rabbiner den reichen Mann am Armgelenk. Beide prusteten vor Lachen. Und mir ging durch den Kopf, dass, wenn ich Herrn Glasenberg schon vorher gekannt hätte, ich bei meinem Schachturnier bestimmt wertvollere Preise zu Verteilen gehabt hätte als Baseballmützen und Kulis.

Seit diesem Schabbat überlege ich ernsthaft, Lubawitscher zu werden.

Berlin

Erste Ausstellung über den Architekten Ossip Klarwein

Präsentiert werden mehr als 100 Entwürfe und Modelle, darunter ikonische Bauten des 1933 nach Palästina geflohenen jüdischen Architekten

 17.06.2025

Nachruf

Chronist einer ganzen Epoche

Michel Bergmann war ein Schriftsteller, der viele Genres beherrschte

von Ellen Presser  17.06.2025

Los Angeles

Neues Album von Haim: »Manchmal muss man loslassen«

Auf ihrem vierten Album singen die Haim-Schwestern von Trennung, Abschied und Neuanfang. Dabei betritt das Trio mit beinahe jedem Song ein anderes musikalisches Terrain

von Philip Dethlefs  17.06.2025

Diskurs

»Die Erinnerungsrepublik Deutschland ist zu Ende«

Auszüge aus der Heidelberger Hochschulrede des Grünen-Politikers Sergey Lagodinsky

 16.06.2025

Literatur

Michel Bergmann ist tot

Der jüdische Schriftsteller starb im Alter von 80 Jahren

 17.06.2025 Aktualisiert

Taormina Film Fest

Michael Douglas entschuldigt sich für Politik der US-Regierung

Der Darsteller erhält von Iris Knobloch eine Ehrung für sein Lebenswerk. Die Vergabezeremonie in Sizilien nutzt er für Kritik an seinem Land

 16.06.2025

Fernsehen

Luftraum in Israel gesperrt: »Fernsehgarten« ohne Kiewel

Die Moderatorin lebt in Tel Aviv - doch zu ihrer Jubiläumssendung konnte sie nicht anreisen

 15.06.2025

Leo Baeck Institut

»Die Wissenschaft ist keine Oase«

Michael Brenner über das vor 70 Jahren gegründete Archiv der Geschichte und Kultur des deutschsprachigen Judentums, freie Forschung und bedrohte Demokratie

von Ayala Goldmann  15.06.2025

Kunst

Öffnet die Herzen!

Die Israelin Bracha Lichtenberg Ettinger fordert mit einer intensiven Einzelschau in Düsseldorf die Besucher heraus

von Eugen El  15.06.2025