Finale

Der Rest der Welt

Völlig entgeistert, mit dem Schock noch tief in den Knochen, kam meine israelische Frau kürzlich vom Kindergarten, in den sie unsere beiden Töchter zuvor gebracht hatte, nach Hause. »Ani lo mevina! Das verstehe ich nicht!«, herrschte sie mich an. Vor Schreck hätte ich fast unseren einjährigen Sohn fallen lassen, mit dem ich in der kurzen Zeit ihrer Abwesenheit gerade Musik hörend durch das Wohnzimmer getanzt war. Was hatte ich falsch gemacht? Hatte ich etwas vergessen? Hatte sie etwas vergessen, woran ich denken sollte? In meinem Kopf ratterte es.

Doch zum Glück hatte nicht meine Unzulänglichkeit, sondern die – wirklich sehr, sehr nette – Kindergärtnerin meine Frau in Rage versetzt: Denn trotz des Regens wurde der für diesen Tag geplante Kindergartenausflug nicht abgesagt! Die Kleinen sollten doch tatsächlich bei solchem Wetter zu einem Bauernhof fahren. Draußen. Im Regen! Meine sonnenverwöhnte Frau versetzte dies in ungläubige, fast panische Zustände. Ich versuchte, sie zu beruhigen. Doch all mein Zureden und Herunterspielen der hiesigen Witterungsverhältnisse ging kräftig daneben.

Meteorologin Unter uns: Ich hatte das bisschen Regen noch nicht einmal bemerkt. Meiner Frau war es natürlich sofort aufgefallen. Überhaupt würde mich das Wetter nie stören, klagte sie, die sich in unseren sieben Jahren in Berlin fast zu einer Hobby-Meteorologin entwickelt hatte.

Alle Überzeugungsversuche, dass es sich doch nur um ein Nieseln handeln und der Regen bestimmt bald aufhören würde, wurden von der besorgten Mutter unserer Kinder mit dem Rezitieren der stündlichen Wetterprognose, der zu erwartenden Niederschlagswerte und Regenwahrscheinlichkeiten, der »Real-Feel«-Temperaturen und der überhaupt viel zu heftigen Windstärken gekonnt und fachlich exzellent widerlegt. In unserem Wohnzimmer spielte sich ein kurzes europäisch-israelisches Gewitter ab, das unsere so unterschiedlichen Wetter-Mentalitäten deutlich zutage förderte.

Das Schlimme dabei war, dass ich ihr insgeheim doch zustimmen musste. Der Schritt auf den Balkon offenbarte, dass es sich nicht nur um ein Nieseln, sondern um echten Regen handelte und man besser in der Stube bleiben und Tee trinken sollte.

Wadi Zugegeben, ich selbst bin ja auch kein Freund des Herbstes im Juni. Also musste ich ihr irgendwann schon beipflichten, dass in Israel bei solch einem Schmuddelwetter wirklich niemand – also keiner – an einen Ausflug denken würde. In Israel würde bei so einem Wolkenbruch das ganze Land stillstehen. Es gebe Staus, Straßen und Wadis seien überflutet, und zu Hause würde der winterliche Tscholent im Ofen vor sich hin köcheln. Und wenn nicht der, dann aber zumindest eine heiße Suppe.

Dennoch nahm ich die Verteidigerrolle ein – für das Wetter und für unsere so ambitionierte Kindergärtnerin. Doch meine Frau quittierte den Ausflugsplan nur mit verständnislosem Kopfschütteln: »Wie soll das ablaufen? Sie gehen wirklich mit den Kindern durch den Regen?«

Immerhin waren meine Vermittlungsversuche insofern erfolgreich, als ich verhindern konnte, dass meine geliebte Frau den Ausflug mittels Telefonterror im Kindergarten doch noch torpedierte. Krank geworden ist unsere knapp dreijährige Tochter nicht, trotz aller sorgenvollen Prophezeiungen. Israelis sind zwar süß, aber schließlich auch nicht aus Zucker.

Restitution

»Das Ausmaß hat uns überrascht«

Daniel Dudde über geraubte Bücher, Provenienzforschung an Bibliotheken und gerechte Lösungen

von Tobias Kühn  15.07.2025

Haskala

Medizin für die jüdische Nation

Aufgeklärte jüdische Ärzte sorgten sich um »Krankheiten der Juden«. Das wirkte auch im Zionismus nach

von Christoph Schulte  15.07.2025

Literatur

Vom Fremden angezogen

Die Schriftstellerin Ursula Krechel, Autorin des Romans »Landgericht«, wird mit dem Büchner-Preis ausgezeichnet

von Oliver Pietschmann  15.07.2025

Interview

»Eine Heldin wider Willen«

Maya Lasker-Wallfisch über den 100. Geburtstag ihrer Mutter Anita Lasker-Wallfisch, die als Cellistin das KZ Auschwitz überlebte, eine schwierige Beziehung und die Zukunft der Erinnerung

von Ayala Goldmann  15.07.2025

Musik

Zehntes Album von Bush: »Wie eine Dusche für die Seele«

Auf ihrem neuen Album gibt sich die britische Rockband gewohnt schwermütig, aber es klingt auch Zuversicht durch. Frontmann Gavin Rossdale hofft, dass seine Musik Menschen helfen kann

von Philip Dethlefs  15.07.2025

Medien

Die Deutsche Welle und Israel: Mitarbeiter werfen ihrem Sender journalistisches Versagen vor

Die Hintergründe

von Edgar S. Hasse  14.07.2025

TV-Tipp

Der Mythos Jeff Bridges: Arte feiert den »Dude«

Der Weg zum Erfolg war für Jeff Bridges steinig - auch weil der Schauspieler sich gegen die Erfordernisse des Business sträubte. Bis er eine entscheidende Rolle von den Coen-Brüdern bekam, die alles veränderte

von Manfred Riepe  14.07.2025

Musik

Der die Wolken beschwört

Roy Amotz ist Flötist aus Israel. Sein neues Album verfolgt hohe Ziele

von Alicia Rust  14.07.2025

Imanuels Interpreten (11)

The Brecker Brothers: Virtuose Blechbläser und Jazz-Funk-Pioniere

Jazz-Funk und teure Arrangements waren und sind die Expertise der jüdischen Musiker Michael und Randy Brecker. Während Michael 2007 starb, ist Randy im Alter von fast 80 Jahren weiterhin aktiv

von Imanuel Marcus  14.07.2025