Finale

Der Rest der Welt

Alles begann mit einem leichten Kribbeln im rechten Ringfinger. Einige Tage später ging das Kribbeln auf die anderen Finger über, und eine weitere Woche später, als wir beim Frühstück saßen, sagte mein Mann: »Deine Kaffeetasse!« »Was ist damit?«, fragte ich. »Sie steht auf deiner Hand«, sagte er.

Erstaunt sah ich auf meine rechte Hand herab, die leblos auf dem Tisch lag und auf der ich gedankenverloren meine kochend heiße Tasse abgestellt hatte. Mit der linken Hand grapschte ich erst nach der Tasse, dann nach dem Telefon und rief meinen Arzt an, der mich für den folgenden Mittwoch ins Krankenhaus zu einer kleinen Operation meines Karpaltunnelsyndroms zitierte.

Weil ich davon nur meiner besten Freundin unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählt hatte und in Antwerpen wohne, klingelte von da an das Telefon nonstop und auf meinen WhatsApp-Gruppen ging es zu wie in einem Taubenschlag mit lauter wohlmeinenden, sich gegenseitig überbietenden Freunden und Bekannten, die allesamt für mich kochen wollten.

OP Freundlich, aber bestimmt wimmelte ich alle Ansuchen ab: Ich hätte ja auch noch meine linke Hand und außerdem einen gut gefüllten Gefrierschrank. Als ich am Tag der OP im hochmodernen Krankenhaus eintraf, flötete die Krankenschwester irgendetwas von lokaler Betäubung und Beruhigungsmittel.

Fünf Minuten später erschien ein nervös wirkender Typ, der sich als Anästhesist vorstellte, mir innerhalb von drei Sekunden einige Spritzen in den Arm rammte und wieselflink wieder hinter einem grünen Vorhang verschwand. Auf einmal begann es in meinen Innereien angenehm zu summen – und von da an war alles nur noch rosarot. Auch die OP versank dank der saftigen Betäubung in einer wohligen Wattewolke, und erst, als ich mich leicht ramponiert zu Hause in meinem Bett wiederfand, wurde mir klar, dass ich ohne meine rechte Hand völlig aufgeschmissen war.

Excel
Da klingelte es an der Tür. Unten stand ein Hausfrauentrupp mit dampfenden Terrinen und Kuchenformen, den mein Mann fachmännisch in die Küche schleuste. »Wir konnten dich doch nicht allein lassen in deinem Elend«, meinte meine Freundin Stella und breitete eine quadratmetergroße Excel-Tabelle auf der Bettdecke meines Krankenlagers aus.

Darauf stand das Menü für die kommende Woche sowie der Name der jeweils zuständigen Köchin. Alle Mütter der Klasse 4c waren mit von der Partie. Akribisch war vermerkt, wer wann wie viele Hackfleischbällchen in Tomatensoße sowie parve Desserts und Beilagen abzuliefern hatte, wer die Pausenbrote der Kinder schmieren und wer mir am Freitagnachmittag Kugel und Tscholent auf die Schabbes-Platte stellen würde. Eine ganze Woche lang lebten wir wie die Könige. Mein Kühlschrank platzte aus allen Nähten.

Komisch, aber auf einmal habe ich so ein seltsames Kribbeln in der linken Hand.

Dorset

»Shakespeare In Love« - Dramatiker Tom Stoppard gestorben

Der jüdische Oscar-Preisträger war ein Meister der intellektuellen Komödie. Er wurde 88 Jahre alt

von Patricia Bartos  01.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Fernsehen

Abschied von »Alfons«

Orange Trainingsjacke, Püschelmikro und Deutsch mit französischem Akzent: Der Kabarettist Alfons hat am 16. Dezember seine letzte Sendung beim Saarländischen Rundfunk

 30.11.2025 Aktualisiert

Gerechtigkeit

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz 

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz Jahrzehnte nach Ende des NS-Regimes hoffen Erben der Opfer immer noch auf Rückgabe von damals geraubten Kunstwerken. Zum 1. Dezember starten Schiedsgerichte. Aber ein angekündigter Schritt fehlt noch

von Verena Schmitt-Roschmann  30.11.2025

Berlin

Späte Gerechtigkeit? Neue Schiedsgerichte zur NS-Raubkunst

Jahrzehnte nach Ende der Nazi-Zeit kämpfen Erben jüdischer Opfer immer noch um die Rückgabe geraubter Kunstwerke. Ab dem 1. Dezember soll es leichter werden, die Streitfälle zu klären. Funktioniert das?

von Cordula Dieckmann, Dorothea Hülsmeier, Verena Schmitt-Roschmann  29.11.2025

Interview

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  29.11.2025

Hollywood

Die »göttliche Miss M.«

Die Schauspielerin und Sängerin Bette Midler dreht mit 80 weiter auf

von Barbara Munker  28.11.2025

Literatur

»Wo es Worte gibt, ist Hoffnung«

Die israelische Schriftstellerin Ayelet Gundar-Goshen über arabische Handwerker, jüdische Mütter und ihr jüngstes Buch

von Ayala Goldmann  28.11.2025

Projektion

Rachsüchtig?

Aus welchen Quellen sich die Idee »jüdischer Vergeltung« speist. Eine literarische Analyse

von Sebastian Schirrmeister  28.11.2025