Finale

Der Rest der Welt

Es gibt Feiertage, mit denen ich beim besten Willen nichts anfangen kann. Nichts gegen die jüdische Tradition, Gott bewahre, aber Tu Bischwat ist ein Fest, auf das ich verzichten könnte. Schuld daran ist vielleicht die israelische Sängerin Ilanit. 1972, als ich drei Jahre alt war, erschien ihre Platte »Festlieder für Kinder«.

Mein Vater kaufte die LP bei einem Israel-Urlaub und spielte sie in unserem Haus zu jeder passsenden und unpassenden Gelegenheit ab. Bis heute hüte ich den Vinyl-Oldie wie einen Schatz und liebe vor allem die Chanukka-Lieder.

Den albernen Tu-Bischwat-Song dagegen habe ich schon als kleines Mädchen gehasst: »Tu Bischwat Higia«, säuselt Ilanit da in nöligem Kleinkind-Tonfall, »Chag Hallanot!« Übersetzt lautet die doch recht banale Botschaft: Tu Bischwat ist gekommen – das Fest der Bäume!

tu bischwat Das Schlimmste daran ist: Gegen dieses kulturelle Erbe scheint kein Kraut gewachsen. Mein dreijähriger Sohn hat das Lied in der Kita der Jüdischen Gemeinde gehört.

Und da der Kleine vor keiner Geschmacksverirrung zurückschreckt, traktiert er mich bereits seit Wochen mit dem Song. Kaum habe ich ihn aus der Kita abgeholt und in unser Auto verfrachtet, sitzt er in seinem Kindersitz und singt nach Herzenslust vom Neujahr der Bäume. Und das mitten im frostigen Berliner Winter.

Am Fenster meines Arbeitszimmers blühen die Eisblumen. Diese Woche sollen es minus 15 Grad werden. Das Tu-Bischwat-Lied aber beginnt mit den Worten: »Der Mandelbaum blüht!«

Ich habe nichts gegen Bäume. Ganz im Gegenteil. Hätte ich einen Garten, würde ich sofort einen Mandelbaum einsetzen und mich freuen, wenn seine ersten Blüten sprießen – im Mai. Ich habe auch nichts dagegen, dass mein Sohn in der Kita Setzlinge in Joghurtbecher pflanzt. Das Ökobewusstsein der Kleinen kann gar nicht früh genug gefördert werden. (Vor allem in einer Kita, vor der sich jeden Morgen ein endloser elterlicher Autokorso staut.)

eiseskälte Warum können wir Diaspora-Juden Tu Bischwat nicht dann feiern, wenn unsere Mandelbäume blühen? Warum müssen wir bei allen Feiertagen nach der israelischen Pfeife tanzen? Okay, schon klar, die Einheit des jüdischen Volkes muss gewahrt bleiben.

Aber warum immer auf unsere Rechnung? Die Israelis könnten wenigstens mal ein einziges Fest auf eine Jahreszeit legen, die auch Diaspora-Juden einleuchtet. Mal abgesehen davon, dass außerhalb Israels weitaus mehr Juden leben als im Heiligen Land.

Aber vielleicht bin ich einfach nur grantig und schlecht gelaunt. Ich schreibe diesen Text an einem Montagmorgen. Es ist Winter. Mir ist kalt. Ich habe keine Lust auf die Scheibenkratzerei. Vielleicht sollte ich doch eine positivere Einstellung zum Fest der Bäume entwickeln?

Noch ein paar Monate, dann kommt der Frühling. Die Tage werden wieder länger. Die Mandelbäume werden blühen. Alles wird gut. Freut euch, ihr Juden! Tu Bischwat ist gekommen – das Neujahr der Bäume!

Eurovision Song Contest

CDU-Politiker: ESC-Boykott, wenn Israel nicht auftreten darf

Steffen Bilger fordert: Sollte Israel vom ESC ausgeschlossen werden, müsse auch Deutschland fernbleiben. Er warnt vor wachsenden kulturellen Boykottaufrufen gegen den jüdischen Staat

 18.09.2025

Ehrung

Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland für Tamar Halperin

Die in Deutschland lebende israelische Pianistin ist eine von 25 Personen, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 1. Oktober ehrt

von Imanuel Marcus  18.09.2025

Ausstellung

Liebermann-Villa zeigt Architektur-Fotografien jüdischer Landhäuser

Unter dem Titel »Vision und Illusion« werden ab Samstag Aufnahmen gezeigt, die im Rahmen des an der University of Oxford angesiedelten »Jewish Country Houses Project« entstanden sind

 18.09.2025

Debatte

Rafael Seligmann: Juden nicht wie »Exoten« behandeln

Mehr Normalität im Umgang miteinander - das wünscht sich Autor Rafael Seligmann für Juden und Nichtjuden in Deutschland. Mit Blick auf den Gaza-Krieg mahnt er, auch diplomatisch weiter nach einer Lösung zu suchen

 18.09.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  18.09.2025

»Long Story Short«

Die Schwoopers

Lachen, weinen, glotzen: Die Serie von Raphael Bob-Waksberg ist ein unterhaltsamer Streaming-Marathon für alle, die nach den Feiertagen immer noch Lust auf jüdische Familie haben

von Katrin Richter  18.09.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 18. September bis zum 2. Oktober

 18.09.2025

Fußball

Mainz 05 und Ex-Spieler El Ghazi suchen gütliche Einigung

Das Arbeitsgericht Mainz hatte im vergangenen Juli die von Mainz 05 ausgesprochene Kündigung für unwirksam erklärt

 18.09.2025

Hochstapler

»Tinder Swindler« in Georgien verhaftet

Der aus der Netflix-Doku bekannte Shimon Hayut wurde auf Antrag von Interpol am Flughafen festgenommen

 18.09.2025