Finale

Der Rest der Welt

Neulich, es muss vor ungefähr drei Wochen gewesen sein, besuchte ich meine Eltern in Köln. Neben den üblichen Dingen, die ich für einen Urlaub zu Hause brauche, Jogginghose, Kapuzenpullover und Zahnbürste, packte ich in den mal wieder bis zum Bersten gefüllten Koffer mein neues Super-Food, bestehend aus Hafermilch, Dinkelflocken, Gojibeeren und Acai-Pulver, das weder super schmeckt noch super günstig ist. Aber: Wer im Berlin der Neuzeit etwas auf sich hält, der konserviert seinen Körper von innen.

Heute weiß ich, dass es naiv war. Naiv, nicht durchdacht und beinahe töricht anzunehmen, diese Lebensmittel unbeobachtet an meiner Mutter vorbeischleusen zu können. Denn während ich am Morgen schlaftrunken in die Küche schlurfte, wurde ich bereits vom Duft heißen Kaffees, frischer Brötchen, Eier und Räucherlachs begrüßt.

Doch ich ließ mir nichts anmerken, zog, als sie wild gestikulierend mit dem Telefon im Wohnzimmer verschwand, nach und nach meine Super-Foods aus einem Stoffbeutel und fing an, akribisch meine Frühstücksschale vorzubereiten.

Krank »Was machst du da?«, fragte sie mich, als sie plötzlich hinter mir stand. »Mission abbrechen«, dröhnte es in meinem Kopf. Doch es war zu spät. Der Küchenimperator hat die feindliche Nahrung bereits lokalisiert. »Ich bereite mein Frühstück zu«, antwortete ich nonchalant mit pochendem Herzen. »Was ist das?«, möchte sie wissen, indem sie die weißgraue Flüssigkeit in meiner Schale inspiziert. Sogar der Hund hat mitbekommen, was los ist, und verzieht sich in sein Körbchen. »Das sind Super-Foods, Mama«, ließ ich sie wissen. »Bist du krank?« »Nein, Mama.« »Hast du eine Essstörung?« »Nein, Mama.« »Magst du mein Essen nicht?« »Doch, Mama!« »Wieso bringst du dann dein eigenes«, mit ihren Fingern machte sie Anführungszeichen in der Luft, »Essen mit?« »Weil es mit großer Sicherheit mein Leben verlängert, Mama.« »Das sieht aus wie der Abfall von Gefillte Fisch und dein Gesicht wie Tischa beAw. Ich hoffe, du weißt das!« »Dieses Gesicht werden dann wohl alle ertragen müssen, bis ich 120 bin.« Ich beharrte auf meiner Super-Foods-Frühstückspampe und setzte mich schweigend zu ihr.

Während sie genüsslich ihr Brötchen aß und mir bei jedem Biss fordernd in die Augen schaute, lief mir der säuerliche Beerensaft die Kehle herunter – selten war unsere gemeinsame Mahlzeit so ruhig. Ich wusste, dass ich mit Essen nicht hätte spaßen sollen. Hafermilch, Gojibeeren und Acai-Pulver mögen akzeptabel in meiner Autonomie sein, doch im Gourmetreich meiner Mutter, die jede gekochte Mahlzeit mit Aufopferung zubereitet, sind Super-Foods nichts als »bad choices«. Um dem Ganzen etwas mehr Geschmack zu geben, stand ich auf und suchte Honig.

Als ich an meinen Platz zurückkehrte, stand ihr Teller mit dem Lachs-Avocado-Brötchen vor mir. Grinsend löffelte sie aus meiner Schale und tat so, als ob es ihr schmeckte. »Ich finde, dass du mich ertragen sollst, bis ich 120 bin. Was meinst du?« Ich lachte. Sie lachte. Es war klar: Mit Essen und mit jüdischen Müttern spaßt man nicht.

Medien

Michel Friedman ist neuer Herausgeber des »Aufbau«

Die Zeitschrift »Aufbau« erfindet sich mal wieder neu. Diesmal soll Michel Friedman das 90 Jahre alte Blatt modernisieren. Der Journalist und Autor hat viel vor

von Sophie Albers Ben Chamo  23.01.2025

Oscars

»Der Brutalist« und »A Complete Unknown« nominiert

Adrien Brody und Timothée Chalamet sind auch als »Beste Hauptdarsteller« nominiert

 23.01.2025

Kulturkolumne

Sprachnachrichten als Zeitzeugnisse

WhatsApps auf Jiddisch von Regina Steinitz aus Israel

von Maria Ossowski  23.01.2025

Kino

»The Brutalist« - Packendes Filmepos über die Gegenwart der Vergangenheit

In 70mm gedrehtes herausragendes Filmepos über einen dem Holocaust entronnenen Architekten, der in den USA mit einem gigantischen Bauwerk seinen Traumata zu entkommen hofft

von Rüdiger Suchsland  23.01.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  23.01.2025

Lebensmelodien

Musik ist die beste Rache

Am 27. Januar erinnert die UN-Vollversammlung mit Werken verfolgter jüdischer Komponisten an die Schoa – das Projekt entstand in Berlin-Schöneberg

von Ayala Goldmann  23.01.2025

Mel Gibson

»Make Hollywood Great Again«

US-Präsident Donald Trump hat den Regisseur und Schauspieler zu seinem »Sonderbotschafter« ernannt – zusammen mit Sylvester Stallone und Ron Voigt

von Sophie Albers Ben Chamo  23.01.2025

Songcontest

Überlebende des Nova-Massakers vertritt Israel beim ESC

Yuval Raphael ist noch ein Neuling in der Musikbranche

 23.01.2025

Meinung

Kennen Sie Abed Hassan?

Medien feiern den Berliner als »deutsche Stimme aus Gaza«, dass er den Terror der Hamas verharmlost, scheint sie nicht zu stören

von Susanne Stephan  23.01.2025 Aktualisiert