Finale

Der Rest der Welt

Scarlett Johansson hat die Tora entdeckt. Auf einem gerade erschienenen Comedy-Album liest die Schauspielerin erotisch anregende Bibelstellen mit für den Zweck besonders verrucht angelegter Stimme. »Sexy Bible« heißt der Track, auf dem die 30-jährige Blondine zum Beispiel diese Passage aus dem 5. Buch Mose 21 stöhnt: »Wenn du zum Krieg ausziehst … und du erblickst unter den Gefangenen ein Weib von schöner Gestalt und begehrst sie und nimmst sie dir zum Weib …«

Nett, wenn es auch ein bisschen IS-mäßig klingt. Aber ich kenne schärfere Passagen. Als Pubertierende haben wir im Religionsunterricht systematisch die Heilige Schrift auf scharfe Zitate untersucht. (Heimlich, natürlich. Zum offiziellen Lehrstoff zählte das nicht.) Und wir wurden immer wieder fündig.

Hohelied Das Hohelied Salomos war eine besonders ergiebige Quelle: »Dein Wuchs da gleicht der Palme und deine Brüste Trauben. Ich denke, ich ersteig die Palme, ich greife ihre Rispen.« Gern gelesen wurde auch die Geschichte von Lot und seinen Töchtern im 1. Buch Mose 19: »Komm, wir wollen unserm Vater Wein zu trinken geben und uns zu ihm legen, damit wir von unserm Vater Samen leben lassen.« Da eröffnete sich uns ein Blick auf Dinge, die wir unschuldigen Zwölfjährigen uns bis dahin nie hatten vorstellen können.

Das Wort »Torafreuden« bekam plötzlich ganz neue Bedeutung. Noch härter zur Sache ging es bei den Propheten. »Und der Mann und dessen Vater gehen zu der Dirne«, wusste Amos zu berichten. Das war noch harmlos, verglichen mit Ezechiel: »Du nahmst dein Ziergerät aus … Gold und Silber … und machtest dir draus Mannsgebilde und buhltest mit ihnen.« Und wie war König David nur drauf? »Jehonatan, mein Bruder, warst mir sehr lieb! Mir wundersamer dein Lieben als Frauenliebe«, zitiert ihn das zweite Buch Samuel. Diese Toraverse – es gibt übrigens noch härtere – hat Scarlett Johansson nicht aufgenommen. Die Amerikaner sind bekanntlich etwas prüde.

Youporn Obwohl: Heute, im Zeitalter von YouPorn und anderen beliebten Internetsites, haben Teenager es nicht mehr nötig, wie weiland wir, zwecks Anregung die Bibel auf scharfe Passagen zu durchforsten. Eigentlich schade.

Denn mich und meine Altersgenossen hat das damals auf den Geschmack gebracht. Nein, nicht für Pornografie, sondern für den Tanach. Nach und nach haben wir uns auch mit anderen, unverfänglicheren Teilen der Schrift befasst. Wer weiß, vielleicht ist das ja der eigentliche, höhere Sinn solcher Passagen. Göttliche Lockangebote sozusagen.

Und jetzt müssen Sie mich entschuldigen. Ich will noch die Tora studieren. Das ist schließlich eine Mizwa.

Esther Abrami

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