Finale

Der Rest der Welt

Es ist ja nicht so, dass ich keinen Fernseher hätte. Internet und Radio habe ich auch. Trotzdem müssen meine Gören ständig an meinem Schlafzimmerfenster kleben, um das faszinierende Geschehen in Nachbars Garten zu beobachten. Meine Straße ist ums Eck zur renommierten Belgiëlei mit ihren Millionärsvillen und den entsprechenden Gärten. Also ist aussichtsmäßig immer was geboten.

Neulich zum Beispiel stieg im Garten links von uns eine Riesenfete: Luftballon-Trauben, Blumenarrangements und Stühle waren vom Personal herangeschleppt worden, und schließlich betrat ein bärtiger Typ mit Keyboard den Plan und begann, die Top Ten der Simcha-Sounds zu trällern. Meine Kinder und ich rockten im Schlafzimmer total ab, der Mann war wirklich gut! Im Garten begannen auch alle wild zu tanzen.

Avraham Fried Simcha-Mucke erinnert mich immer peinlichst daran, dass ich schon in wenigen Jahren die Batmizwafeier meiner Ältesten planen muss und mir keine Band leisten kann. Aber so ein kleiner magerer Keyboard-Fuzzi, was kann der schon kosten! Ich muss unbedingt seine Nummer herausfinden! Ob ich mal eben schnell bei den Nachbarn klingele? In dem Moment betrat der Nachbar, Mister Plutschnik höchstpersönlich, die Rasenfläche, schnappte sich das Mikro des bärtigen Rockstars und röhrte: Applaus und herzlich willkommen bei uns, Avraham Fried!

Ich schnappte nach Luft: Die Nachbarn hatten den Weltstar Avraham Fried für ihre Gartenparty eingeflogen! Wie viel Kohle kann man eigentlich haben? Warum nur muss ich in einer Stadt der megalomanen Superreichen wohnen? »Mama«, rief meine Älteste begeistert, »können wir für meine Batmizwa auch Avraham Fried engagieren? Der ist soo toll!«

Dan Tel Aviv Mir bleibt auch nichts erspart! In den vergangenen Monaten war ich öfters zu Batmizwafeiern eingeladen. Einmal wurde im Festsaal ein künstlicher See angelegt, mit echter venezianischer Gondel samt Gondoliere. Ein anderes Mal ritt der Barmizwa auf einem mit Girlanden geschmückten Elefanten in den Saal. Ein andermal hatte ein Mädchen Flugtickets und Hotelzimmer für ihre gesamte Klasse besorgt und feierte im Dan Tel Aviv.

Meine Batmizwaparty hat keine Chance in dieser Stadt! Außer, ich lasse mir was ganz, ganz Tolles einfallen, was kein Geld kostet. Zum Beispiel: eine Batmizwafeier auf einer Bohrinsel. Oder in einem Heißluftballon, dann muss ich praktischerweise nur eine Handvoll Leute einladen. Oder eine Batmizwa in einem Salzbergwerk. Klingt doch alles attraktiv, oder? Für weitere Vorschläge im untersten Preissegment bleibe ich natürlich offen. Sie wissen ja, wie Sie mich erreichen können.

Hans-Jürgen Papier

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  26.11.2025

Hommage

Pionier des Erinnerns

Der Filmemacher und Journalist Claude Lanzmann wäre diese Woche 100 Jahre alt geworden. Unser Autor ist ihm mehrmals persönlich begegnet

von Vincent von Wroblewsky  26.11.2025

Zahl der Woche

6500 Rabbiner

Funfacts & Wissenswertes

 26.11.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Coole Nichten, coole Tanten

von Katrin Richter  26.11.2025

Kulturkolumne

Lob der Anwesenheit

Lahav Shani und Jason Stanley: Warum unser Autor nicht nur in der Westend-Synagoge vor Ort ist

von Eugen El  26.11.2025

Film

Shira Haas ist Teil der Netflix-Serie »The Boys from Brazil«

Die israelische Schauspielerin ist aus »Shtisel« und »Unorthodox« bekannt

 26.11.2025

Zwischenruf

Was bleibt von uns?

Was bleibt eigentlich von uns, wenn Apple mal wieder ein Update schickt, das alles löscht? Jede Höhlenmalerei erzählt mehr als eine nicht mehr lesbare Floppy Disk

von Sophie Albers Ben Chamo  25.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  25.11.2025

Jüdische Kulturtage

Musikfestival folgt Spuren jüdischen Lebens

Nach dem Festival-Eröffnungskonzert »Stimmen aus Theresienstadt« am 14. Dezember im Seebad Heringsdorf folgen weitere Konzerte in Berlin, Essen und Chemnitz

 25.11.2025