Finale

Der Rest der Welt

Ayala Goldmann Foto: Ayala Goldmann

Finale

Der Rest der Welt

Warum ich keine »Opfer-Likes« auf Facebook sammele

von Ayala Goldmann  12.08.2014 06:28 Uhr

Ich neige nicht zu Paranoia – jedenfalls nicht, wenn ich gut geschlafen habe. Seit ein paar Wochen schlafe ich schlecht. Es fing an mit dem Krieg in Gaza und wurde nicht besser mit Anti-Israel-Demos und neuen MolotowCocktails gegen Synagogen im alten Europa.

Die einzige gute Nachricht dieser Tage war, dass Starbucks nicht in Israel investiert – mit der Begründung, die Partnerschaft sei schon 2003 wegen »on-going operational challenges« aufgelöst worden. Schade, dass ich nicht früher von dieser »einvernehmlichen Entscheidung« wusste. Nun habe ich endlich einen Grund, mein Geld nicht mehr für überteuerten Latte Macchiato aus dem Fenster zu werfen, nur weil ich morgens nicht bis zum ersten Bürokaffee warten kann. »Fair trade« à la Starbucks – ohne mich!

Koffer Dann rief ein Journalistenkollege an. Ein prominenter jüdischer Gast seiner Sendung habe kurzfristig abgesagt. Er brauche dringend Ersatz. Ob ich ein zweieinhalb-minütiges Betroffenenstatement abgeben könne zum Thema: »Heulen, Schlottern und Zähneklappern: Sitzen Deutschlands Juden auf gepackten Koffern?«

Besonders mutig wäre es, wenn ich meine schlimmsten Albträume preisgeben würde, ermunterte mich der Kollege. Zum Beispiel: Wie würde ich mich fühlen, sollte meine Berliner Synagoge in Flammen aufgehen? Würde ich nach Israel auswandern? Mit welcher Fluggesellschaft? Ich überlegte kurz: Meinen Koffer hatte ich noch nicht ausgepackt, seit ich aus meinem Israel-Kurzurlaub, drei Raketenangriffe inklusive, zurückgekommen war. Also wäre ich, verängstigt, mit Augenringen und stets gepacktem Rollkoffer (samt Klebeband von El Al UP) der ideale jüdische Talkshow-Gast gewesen.

Ofra Haza Trotzdem habe ich mir den Auftritt erspart, obwohl er mir eine Menge »Opfer-Likes« auf Facebook eingebracht hätte. Erstens fürchte ich mich, wenn überhaupt, nur privat. Öffentlich singe ich das Eurovisions-Lied von Ofra Haza: Chai, Chai, Chai! Zweitens habe ich keinen Grund, mich zu fürchten. In Sderot ist alles noch viel schlimmer. Von Gaza ganz zu schweigen. Und während ich vom Schreibtisch aus den Antisemitismus bekämpfe, scheint draußen die Sonne.

Am Sonntag bin ich sogar mit einer Magen-David-Halskette an einem Brandenburger See spazierengegangen, um mir zu beweisen, dass mich der Feind nicht schreckt. Mit 100-prozentigem Erfolg: Kein Antisemit weit und breit. Sie wagten sich einfach nicht in meine Nähe.

Für alle, die sich (ganz im Geheimen) trotzdem Sorgen machen sollten, noch eine kleine hübsche Geschichte: Neulich hat eine jüdische Bekannte aus dem Ausland eine katholische Freundin in Deutschland besucht und ihr erzählt, dass Juden in Europa um ihre Zukunft fürchten. Die deutsche Katholikin aber versicherte ihr, hierzulande könne Juden nichts passieren. Denn: »Antisemitismus ist in Deutschland verboten!« Das beruhigt ungemein. Oder?!

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  14.11.2025

Kunst

Illustrationen und Israel-Hass

Wie sich Rama Duwaji, die zukünftige »First Lady von New York«, auf Social Media positioniert

von Jana Talke  13.11.2025

Kino

Zwischen »Oceans Eleven« und Houdini-Inszenierung

»Die Unfassbaren 3« von Ruben Fleischer ist eine rasante wie präzise choreografierte filmische Zaubershow

von Chris Schinke  13.11.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 13.11.2025

Film

Dekadenz, Krieg und Wahnsinn

»Yes« von Nadav Lapid ist provokativ und einseitig, enthält aber auch eine tiefere Wahrheit über Israel nach dem 7. Oktober

von Sascha Westphal  13.11.2025

Kolumne

Hineni!

Unsere Autorin trennt sich von alten Dingen und bereitet sich auf den Winter vor

von Laura Cazés  13.11.2025

Zahl der Woche

-430,5 Meter

Fun Facts und Wissenswertes

 12.11.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 13. November bis zum 20. November

 12.11.2025

Interview

»Niemand hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025