Finale

Der Rest der Welt

Seit Wochen herrscht bei uns ein zermürbender Grabenkrieg: Ich und die Zwillinge gegen meinen Mann und Emma. Denn Emma will unbedingt ins Bnei-Akiva-Ferienlager. Zwei Wochen lang. Die Zwillinge (5) sind dagegen, weil sie ohne Emma (7) nachts nicht schlafen können. Ich persönlich finde, mit sieben ist Emma noch zu klein für Ferien ohne mich! Sie kann sich ja nicht mal selbst die Schnürsenkel zubinden.

Man muss dazu sagen, dass mein Göttergatte im Zeitraum von 1980 bis 1995 genau dieses Ferienlager ungefähr 50-mal besucht hat. Im Sommer, im Winter, in den Ferien, nur so zwischendurch und später als Madrich und Leiter dieser glorreichen belgischen Institution, einem windschiefen wurmstichigen Haus an der belgischen Küste, von allen nur liebevoll »die Villa« genannt. Alain ist, man muss es sagen, der fanatischste Fan dieser Villa, die ihm und seiner Generation doch so unvergessliche Erinnerungen für ein ganzes Leben bla, bla, bla ... Sie verstehen, was ich meine.

Puddingbecher
Wenn ich mir hingegen meine Emma im Ferienlager vorstelle, sehe ich sie ungewaschen, übernächtigt, verlaust und vernachlässigt. Ich stelle mir vor, wie sie unter ihrem Bett Puddingbecher hortet, aus Versehen ihr Haarshampoo austrinkt und sich Sonnencreme in die Haare schmiert. Habe ich schon erwähnt, dass sie sich nicht mal selbst die Schuhe zubinden kann? Emma bekommt mächtig Druck von ihren Freundinnen, die alle Nase lang anrufen und fragen, ob sie mich schon weich gekriegt hat. Aber nein! Ich bleibe knallhart!

Vor allem, seit ich herausgefunden habe, dass man in diesem famosen Ferienlager nur einmal die Woche anrufen darf – immer freitags von 10 bis 11 Uhr. Die spinnen doch! Es kam, wie es kommen musste: Nach tagelangen Heul- und Bettelattacken war ich weich. Wie meine Knie, als ich Emma einige Tage später zum Bus brachte, der sie zur Villa fahren sollte. Trockenen Auges stieg mein Schätzchen in den Bus und verschwand sofort in der wogenden, kichernden, Erdbeerkaugummi kauenden Masse ihrer Freundinnen. Weg war sie.

Autoschlüssel An die nächsten zwei Wochen kann ich mich nur verschwommen erinnern. Jetzt weiß ich ungefähr, wie sich ein Junkie auf Entzug fühlt. Mehr als einmal habe ich den Rosch Machane am Telefon angefleht, mir doch bitte bitte Emma ans Telefon zu holen.

Mehrere Male habe ich Alains Autoschlüssel stibitzt und war schon so gut wie auf dem Weg zur Küste – diese Fluchtversuche wurden jedes Mal aufs schmählichste von ihm unterbunden. Und als eine gewitzte Mutter, die wahrscheinlich eine Madricha bestochen hatte, ein aktuelles Foto von Emmas Gruppe zugesandt bekam und stolz auf ihrem Smartphone herumzeigte, ging ich ihr beinahe an die Gurgel.

Nach zwei ewig langen Wochen konnte ich Emma endlich wieder in Empfang nehmen. In eine Wolke von Erdbeerparfum gehüllt, stieg sie aus dem Bus. Ihre Haare waren gewachsen in den zwei Wochen und glänzten seidig in der Sonne, sie sah umwerfend aus! Hatte sie endlich gelernt, wie man sich die Haare alleine wäscht und föhnt? Anscheinend.

Außerdem hatte sie ihre Angst vor Pferden überwunden, war am Strand geritten, hatte einen Fisch gefangen und am Lagerfeuer gegrillt, Spielhütten am Strand gebaut, gelernt, wie man vom Einmeterbrett springt und wie man sich selbst die Schuhe zubindet. Ich habe für nächstes Jahr schon einen Platz in der Villa reserviert.

Hard Rock

»Kiss«-Sänger: Ähnlichkeit mit SS-Runen sind uns nicht aufgefallen

Das »Doppel-S« im Band-Logo sollte Blitze darstellen, so der jüdische Bandleader Gene Simmons

 31.05.2023

Geschichte

Porträt einer gescheiterten Idee

Der Historiker Gennady Estraikh über Birobidschan, eine jüdische Heimat in Sibirien

von Alexander Kluy  31.05.2023

Analyse

»Rough Diamonds« auf Netflix feiert große Erfolge

Warum Serien über ultraorthodoxe Juden so großen Anklang finden

von Christiane Laudage  30.05.2023

Aufgegabelt

Omelett mit Lachs

Rezepte und Leckeres

 29.05.2023

Michal Vinik

»Nicht alle Beziehungen sind ein Deal«

Die israelische Regisseurin über arrangierte Ehen, Frauen im Kino und schwul-lesbische Festivals

von Sharon Adler  29.05.2023

Konzert

Noch schlimmer als erwartet

Roger Waters lieferte anti-israelische Propaganda in der größten Halle Berlins

von Imanuel Marcus  29.05.2023

Literatur

Schtetl, Stalin, Agonie

Ein Auswahl-Querschnittsband präsentiert ausgreifend und klug das Werk des jiddischen Schriftstellers Dovid Bergelson

von Alexander Kluy  28.05.2023

György Ligeti

Der Mikropolyphone

Zum 100. Geburtstag des ungarisch-jüdischen Komponisten

von Stephen Tree  28.05.2023

Rezension

Ein radikales Drama, das Fragezeichen setzt

Jonathan Glazers Auschwitz-Drama »Zone of Interest« hat den Großen Preis der Jury in Cannes gewonnen

von Josef Lederle  27.05.2023