Finale

Der Rest der Welt

Technische Revolutionen kommen bei mir immer etwas spät an. Das Internet musste mir mein Vater erklären, da war ich schon 20 Jahre alt. Er war es auch, der mir mein E-Mail-Konto eingerichtet hat. Im ersten Jahr erhielt ich null Nachrichten. Nicht einmal Spam. Heute beherrsche ich das Zehnfingersystem schon sehr gut und kann bereits halb blind (bei schwacher Beleuchtung) schreiben.

Eine andere bahnbrechende Erfindung ist das E-Bike. Nachdem fast alle Menschen auf einem herumradeln, habe ich mir jetzt endlich auch eines gegönnt! Der Grund ist der: Im Herbst letzten Jahres fiel mir auf, dass mich immer mehr Leute auf dem Fahrrad überholten.

Quietschfidel Früher waren das höchstens ambitionierte Jan Ullrichs, dann aber immer häufiger auch mollige Frauen. Sie zischten einfach an mir vorbei. Sogar wenn ich mir die Lunge aus dem Leib gepustet hätte, die quietschfidelen Damen hätte ich nie wieder einholen können. Keine Schande, denn die fuhren mit elektrischer Unterstützung. Eigentlich ist das fahrrad-moralisch gesehen nicht viel besser als Doping.

Andererseits werde ich immer dicker, und die Heimfahrt gestaltet sich zunehmend anstrengender. Früher kam ich zu Hause an und wirbelte meine Frau durch die Luft. Heute röchle ich nur noch und falle erschöpft aufs Sofa. Das alles bewog mich schließlich zum Kauf eines E-Bikes.

Bin ich jetzt glücklich? Ja und nein. Klar, heute überholt mich niemand mehr. Aber mittlerweile werde ich noch dicker, da nun meine einzige Sportaktivität ausfällt. Das Fahren mit dem E-Bike ist schließlich ähnlich wenig anstrengend, wie den Talmud mit der »schottenstein digital edition« zu studieren. Endlich lässt sich dieser verflixt schwierige Text mit dem iPad verstehen.

Raschi Ein Fingerwisch – und schon wird alles bunt und fröhlich erklärt. Früher weinte ich manchmal, wenn ich im Wortmorast einfach nicht weiterkam. Das Wörterbuch half nicht, die Raschi-Erklärung machte alles nur komplizierter, und der Maharscho (ein anderer Rabbiner) ließ mich im Regen stehen. Nur mühselig ging es irgendwie voran, Zeile für Zeile.

Da gab es Menschen, die mehr wussten als ich. Sie trösteten mich immer damit, dass der Lernfortschritt mit den Qualen einhergeht. Doch auch nach Jahren wurde ich wütend, wenn plötzlich ein unbekanntes Wort im Text vorkam, das nach dem Blick ins Wörterbuch mit seinen sieben verschiedenen Übersetzungen noch unverständlicher wurde.

Jetzt aber ist das Talmudstudium genauso leicht, wie mit dem E-Bike einen Berg zu erklimmen. Manchmal muss ich aus Dankbarkeit heulen. Früher fluchte ich mehr, als dass ich lernte. Heute tippe ich nur noch auf die schwierigen Wörter und bekomme gleich die Erklärung. Auf Englisch. Das ist natürlich auch blöd. Jetzt muss ich diese Sprache richtig lernen.

Restitution

»Das Ausmaß hat uns überrascht«

Daniel Dudde über geraubte Bücher, Provenienzforschung an Bibliotheken und gerechte Lösungen

von Tobias Kühn  15.07.2025

Haskala

Medizin für die jüdische Nation

Aufgeklärte jüdische Ärzte sorgten sich um »Krankheiten der Juden«. Das wirkte auch im Zionismus nach

von Christoph Schulte  15.07.2025

Literatur

Vom Fremden angezogen

Die Schriftstellerin Ursula Krechel, Autorin des Romans »Landgericht«, wird mit dem Büchner-Preis ausgezeichnet

von Oliver Pietschmann  15.07.2025

Interview

»Eine Heldin wider Willen«

Maya Lasker-Wallfisch über den 100. Geburtstag ihrer Mutter Anita Lasker-Wallfisch, die als Cellistin das KZ Auschwitz überlebte, eine schwierige Beziehung und die Zukunft der Erinnerung

von Ayala Goldmann  15.07.2025

Musik

Zehntes Album von Bush: »Wie eine Dusche für die Seele«

Auf ihrem neuen Album gibt sich die britische Rockband gewohnt schwermütig, aber es klingt auch Zuversicht durch. Frontmann Gavin Rossdale hofft, dass seine Musik Menschen helfen kann

von Philip Dethlefs  15.07.2025

Medien

Die Deutsche Welle und Israel: Mitarbeiter werfen ihrem Sender journalistisches Versagen vor

Die Hintergründe

von Edgar S. Hasse  14.07.2025

TV-Tipp

Der Mythos Jeff Bridges: Arte feiert den »Dude«

Der Weg zum Erfolg war für Jeff Bridges steinig - auch weil der Schauspieler sich gegen die Erfordernisse des Business sträubte. Bis er eine entscheidende Rolle von den Coen-Brüdern bekam, die alles veränderte

von Manfred Riepe  14.07.2025

Musik

Der die Wolken beschwört

Roy Amotz ist Flötist aus Israel. Sein neues Album verfolgt hohe Ziele

von Alicia Rust  14.07.2025

Imanuels Interpreten (11)

The Brecker Brothers: Virtuose Blechbläser und Jazz-Funk-Pioniere

Jazz-Funk und teure Arrangements waren und sind die Expertise der jüdischen Musiker Michael und Randy Brecker. Während Michael 2007 starb, ist Randy im Alter von fast 80 Jahren weiterhin aktiv

von Imanuel Marcus  14.07.2025