Er kann es nicht lassen. Immer wieder mischt sich Rabbi Klein in die Arbeit der Polizei ein und bringt Kommissarin Bänziger in Rage: »Sagen Sie mal, gibt es zufällig auch Momente, in denen Ihnen klar ist, dass die Zürcher Stadtpolizei ermittelt und nicht das Rabbinat der Cultusgemeinde?«
Vergiftung Gabriel Klein will den Mord einer Verwandten aufklären: Tante Himmelfarb, eine entfernte Cousine seines Vaters, ist in ihrer Wohnung tot aufgefunden worden. Die Polizei geht davon aus, dass die alte Dame, eine bekannte Unternehmerin und Kunstsammlerin, vergiftet wurde. Da Rabbi Klein der einzige Verwandte ist, der in Zürich lebt, gilt er als tatverdächtig – zumal die Tante ihn im Testament bedacht hat.
Auch die orthodoxen Kollegen
bekommen ihr Fett weg.
Es kränkt ihn, dass er ins Visier der Polizei geraten ist. Doch er wäre nicht Rabbi Klein, wenn ihn das nicht anspornen würde, auf eigene Faust zu ermitteln. Und wie immer ist er auch diesmal der Polizei um eine Nasenlänge voraus.
Mit dem Band Im Tal der Gebeine legt Alfred Bodenheimer nun Rabbi Kleins fünften Fall vor. Der Basler Professor für Jüdische Literatur und Religionsgeschichte hat sich in den vergangenen Jahren einen Namen als Krimiautor gemacht. Seine Fangemeinde wächst – inzwischen weisen gar Reiseführer auf seine Bücher hin, denn sie vermitteln viel Zürcher Lokalkolorit. Wie in den meisten Krimireihen steht auch bei Bodenheimer jeder Fall für sich.
STar Hauptheld ist immer Rabbi Klein, der es sich nicht verkneifen kann, zwischen dem Ausarbeiten von Predigten, Telefonaten mit dem Gemeindevorstand oder seelsorgerlichen Gesprächen Kriminalfälle zu lösen. Im Tal der Gebeine beginnt mit einer Szene während der Schoa, einer Rückblende ins Jahr 1939. Die Ermordete, Bianca Himmelfarb, war damals ein kleines Mädchen. Ihr Vater brachte sie mit dem Zug von Frankfurt nach Basel, damit sie von dort in Begleitung eines Verwandten nach London weiterreisen würde – ein privater Kindertransport.
Im Zentrum des Krimis steht jedoch das Heute. Charakteristisch sind Rabbi Kleins Konflikte mit dem Gemeindevorstand. Leicht überspitzt und gelegentlich mit einem Augenzwinkern erzählt Bodenheimer en passant aus dem jüdischen Leben. Diesmal soll eine liberale Rabbinerin eingestellt werden – und Klein hat keine Lust, sie kennenzulernen. Ja, es ist wie überall.
Konferenz Doch auch die orthodoxen Kollegen bekommen ihr Fett weg. Bodenheimer lässt Gabriel Klein zu einer Rabbinerkonferenz reisen und erzählt davon, wie es dort zugeht: »Die Diskussion wogte hin und her, ohne an Struktur oder Zielrichtung zu gewinnen.« Und danach beim Essen: »Die Kollegen waren, wenn sie nicht glaubten, die Probleme der Welt lösen zu müssen, angenehme und inspirierende Tischgenossen.«
Im Zentrum des Krimis
steht das Heute.
Später dann, am Abend in der Lobby, lässt Bodenheimer Rabbi Klein ein weiteres Mal über seinen Berufsstand reflektieren: »Wäre es Rabbinern erlaubt gewesen zu tratschen, dann hätten sie getratscht. Natürlich gab es das strenge Verbot von Laschon Hara, man soll seine Zunge hüten – aber das eine oder andere wollte doch gesagt sein.« Köstlich, diese Süffisanz! Und beeindruckend, wie es Bodenheimer, dem Professor, gelingt, ohne je ins Akademische zu verfallen, Belletristik zu schreiben – leichtfüßig und voller Menschenliebe.
Sex Dass er ebenso über die körperliche Liebe schreiben kann, beweist Bodenheimer in diesem Band einmal mehr. Ja, auch im fünften Krimi gibt es Sex – ehelichen natürlich, so wie es sich für einen Rabbiner gehört.
Alfred Bodenheimer: »Im Tal der Gebeine«. Nagel & Kimche, Zürich 2018, 207 S., 20 €