Modi Rosenfeld

Der Lachmuskeljude

Wie ein orthodoxer homosexueller Komiker aus Amerika die Welt verbessern will

von Sophie Albers Ben Chamo  05.03.2023 08:14 Uhr

Als Comedian hat Modi Rosenfeld vor allem ein Motto: »Kenne dein Publikum«. Foto: picture alliance / John Nacion/STAR MAX/IPx

Wie ein orthodoxer homosexueller Komiker aus Amerika die Welt verbessern will

von Sophie Albers Ben Chamo  05.03.2023 08:14 Uhr

Manchmal sind die USA doch noch »the land of the free«. Das beste Beispiel dafür ist die beeindruckende Karriere des Mordechi Rosenfeld: Einwandererkind aus Israel, orthodoxer Jude, offen homosexuell und derzeit wohl der erfolgreichste jüdische Stand-up-Comedian in Amerika.

Und das, während zeitgleich Mitglieder der aktuellen Regierung im Lande seiner Geburt sich stolz »Homophobiker« nennen, und die israelische LGBTQ-Community um ihre hart erkämpften Rechte fürchten muss, wenn Bibis orthodoxe Nationalisten an der Macht bleiben sollten. Aber: Wenn wir Glück haben, rettet Modi, so Rosenfelds Bühnenname, mit seiner »Moshiach energy« die ganze Welt. Das ist zumindest der Plan. Aber der Reihe nach.

jeschiwa Mordechi Rosenfeld war sieben Jahre alt, als seine Eltern 1977 von Tel Aviv nach Long Island, New York, zogen. Er wuchs in einem religiösen hebräischssprachigen Haushalt auf, besuchte regelmäßig seine Großeltern in Israel, lernte an einer Chabad-Jeschiwa und machte später eine Ausbildung zum Chasan. Kurzum, Mordechi war ein guter Junge und ging nach dem Studium in Boston Anfang der 90er-Jahre nach New York, um bei Merrill Lynch als Investment-Banker gutes Geld zu verdienen. Doch dieses Leben war nicht seins.

Das merkte man unter anderem an seinen kleinen Showeinlagen, wenn er in der Pause, sei es am Wasserspender oder neben der Kaffeemaschine, Kollegen nachahmte. Das Gelächter der Umstehenden war jedes Mal so laut, dass ein Freund ihn schließlich zu einem Open-Mike-Stand-up-Comedy-Abend schleppte. Zu unserem Glück hat Mordechi es ausprobiert und für gut befunden. »Ich hatte keine Ahnung, dass Comedy in mir schlummerte«, zitiert ihn die »Boston Jewish Times«. Aber plötzlich habe sich alles einfach richtig angefühlt.

Als Investment-Banker verdiente er gutes Geld. Doch dieses Leben war nicht seins.

1995 warf Rosenfeld den Job bei Merrill Lynch endgültig hin, um sich voll und ganz auf die Comedy-Karriere zu konzentrieren. Seit 1999 kann er davon leben, Menschen zum Lachen zu bringen. Der junge Mann, der in frühen Aufnahmen mit seinen Grimassen und den schlenkernden Armen fast ein bisschen an den jungen Jerry Lewis erinnert, arbeitete wie ein Besessener.

Er war von Anfang an deutlich bissiger als Lewis, seine Sets waren mehr Satire als Clownerie, und nach Jahren des Schleifens, Ausprobierens und Scheiterns, des Weitermachens und Polierens, unter anderem in der härtesten Schule von allen, in den noch übrig gebliebenen jüdischen Ferienresorts der Catskills, hat er sich selbst erfunden: MODI, Satire und »insult comedy« (Beleidigungs-Comedy) vom Feinsten und 180 Prozent jüdisch. Und das eingegossen in eine muskulöse Chuzpe, die neu ist

Vorreiter Mittlerweile scheint jüdische Stand-up-Comedy ein Shtick von vielen, doch Modi war der Vorreiter. Man könnte fast sagen, er hat den Lachmuskeljuden erfunden, dem die Jackie Masons, Don Rickles und Mel Brooks der Branche den Weg geebnet haben. Er bringt dich vor Lachen zum Weinen, aber du willst dich auf keinen Fall mit ihm anlegen.

In den Brutstätten des US-Humors wie dem Comedy Cellar in New York oder der Laugh Factory in Los Angeles gehört Modi längst zum Inventar. »Seit 40 Jahren habe ich den Klub«, sagte Laugh-Factory-Gründer und -Besitzer Jamie Masada jüngst dem US-Magazin »Variety«, »und ich habe in der Zeit nur drei Menschen mit solch einer Energie und solch einer Verbindung zum Publikum gesehen: Robin Williams, Richard Pryor und Modi.« Die »New York Times« hat Modi schon zum »neuen Jackie Mason« ausgerufen.

Und als wäre das eine nicht genug, kann Modi auch noch das andere: Wenn Stand-up-Comedy nicht so Ihr Ding sein sollte, haben Sie ihn vielleicht in Serien wie den Sopranos, CSI: NY oder Madam Secretary gesehen. Oder zumindest seine Stimme gehört im Kult-Computerspiel Grand Theft Auto IV, in dem er den Mafioso Isaac Roth vertonte.

Leichtigkeit Modi gelingt einfach alles. Mit wunderbarer Leichtigkeit nimmt er Barmizwot, Hochzeiten, Filmauftritte und nationale wie internationale Solo-Touren vor Tausenden Zuschauern mit, als ginge er im Deli einkaufen.

Dabei bringt er mit seinen Geschichten über das Aufwachsen mit israelischen Eltern, jüdisches Daten oder die Unterschiede zwischen Sefarden und Aschkenasim, alles heftig gespickt mit Jiddisch und Iwrit, nicht nur Juden zum Lachen. Seine permanent wachsende Fanbase sorgte zuerst für ausverkaufte Touren in den USA, mittlerweile ist Modi international unterwegs. Im Februar ging es nach London, die fünf Shows waren sofort ausverkauft.

»Kenne dein Publikum«, verrät er das Geheimnis seines Erfolgs: Er komme in einen Raum und fühle, was das Publikum brauche, um einen guten Abend zu haben. »Ich will das Publikum einen«, beschrieb Modi es im Gespräch mit der »Baltimore Jewish Times«. Alle vor der Bühne sollen seine Comedy verstehen: »Ich mache Witze über die Unterschiede zwischen Juden und Nichtjuden, aber auch darüber, dass wir doch alle gleich sind. Lustig ist lustig!«

»moshiach energy« Und dann ist da noch die »Moshiach energy«. Modi lebt bis heute orthodox, hält den Schabbat, beginnt jeden Morgen mit Gebet und Tefillin, isst koscher, singt hin und wieder als Kantor in seiner modern-orthodoxen Synagoge in New York. Der Glaube ist definitiv seine Kraftquelle. Und besagte »Messianische Energie«, offensichtlich inspiriert von Rebbe Schneerson, ist für Modi ein Lebensstil, bei dem es um Empathie und Güte gegenüber seinen Mitmenschen gehe.

Allen Mitmenschen, betont Modi im Interview mit der Aish-Website. Helfe Menschen in Not, und tue alles, um andere zu inspirieren, Positivität zu verbreiten, so sein Mantra. »Andere Menschen zum Lachen und Juden dazu zu bringen, stolz darauf zu sein, jüdisch zu sein, versetzt mich in Hochstimmung«, sagt Modi. »Es ist eine spirituelle Erfahrung. Wenn du dafür sorgst, dass Menschen sich besser fühlen, hat das etwas mit Heilung zu tun.«

Wenn er in einen Raum kommt, fühle er, was das Publikum braucht.

Es war die Pandemie, die Modis hart erarbeitetem Höhenflug eine Delle zu verpassen drohte. Ab März 2020 wurden alle Auftritte abgesagt. Doch zum Glück hatte sein Ehemann und Manager Leo Veiga die rettende Idee, die Modi-Show ins Netz zu verlegen. »Ein Witz pro Tag, um die Menschen an andere Witze zu erinnern, und plötzlich denken sie wenigstens für kurze Zeit nicht an Viruslast und Todesfälle«, zitierte die »Jerusalem Post« den Comedian. Natürlich wurde es ein Erfolg

sacha-baron-cohen-style Modi entwickelte, ein bisschen Sacha-Baron-Cohen-Style, die Alter Egos Yoely und Nir, einen film- und modeinteressierten Chassiden und einen prolligen Israeli in New York. Mit Zoom-Events und kurzen Clips brachte er seinen Fans in unsicheren Zeiten ein bisschen Licht ins Dunkel.

Mitte Januar 2023 ist im Variety-Magazin ein Artikel erschienen, in dem Modi über einen Teil der »Moshiach energy« spricht, die ihm besonders am Herzen liegt: jüdische Homosexuelle, vor allem solche, die streng orthodox leben, dazu zu ermutigen, ihre Sexualität nicht länger zu verstecken.

»Du kannst Shabbos halten, koscher essen, den Talmud lernen, Tora lernen, und du kannst homosexuell sein«, zitierte ihn kurz darauf auch die Jewish Telegraphic Agency. LGBTQ-Menschen aus der jüdischen Gemeinschaft auszuschließen, nennt Modi »Folter«. Denn sie sollten doch stolz darauf sein, sie selbst zu sein: jüdisch und homosexuell. So wie er selbst. Schkojech!

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