Kino

Chassiden am Lido

Hochzeitsvorbereitungen sind im Kino der Ort, an dem Familien ihren großen Auftritt haben und das innere Zusammenspiel dieser sozialen Mikrokosmen inszeniert wird. Die israelische Regisseurin Rama Burshtein nimmt sich dazu eine chassidische Familie aus Tel Aviv vor. Im Zentrum ihres Films Lemale Et Ha’ Chalal (englischer Titel Fill the Void, zu Deutsch »Fülle die Leere«) steht ein Ereignis, das die Hochzeit erst einmal empfindlich stört und die Werte der frommen Familie gehörig durcheinanderwirbelt.

Die 18-jährige Shira soll heiraten. Da stirbt ihre ältere Schwester im Kindbett, und plötzlich steht die Forderung aus Teilen der Familie im Raum, Shira solle doch deren Witwer heiraten. »Was mich an der Welt des jüdischen Glaubens anzog, war deren Versuch, das Rätsel der Beziehungen zu decodieren«, sagt Rama Burshtein, die mit ihrem Film im Wettbewerb der Filmfestspiele von Venedig vertreten ist, die am Mittwoch begonnen haben.

amos gitai Lemale Et Ha’ Chalal ist einer von fünf Filmen aus Israel, die in den unterschiedlichen Sektionen am Lido gezeigt werden. Ein Venedig-Stammgast ist seit Langem Amos Gitai. Diesmal werden gleich zwei Filme dieses international vielleicht bekanntesten israelischen Regisseurs aufgeführt. Lullaby To My Father (»Wiegenlied für meinen Vater«) ist eine Hommage an Gitais Vater, Munio Weinraub (1909–1970), einen Architekten, der seine Karriere am Bauhaus in Dessau begann.

1937 floh er über die Schweiz nach Eretz Israel und baute Industriegebäude sowie in den 60er-Jahren Anlagen für Kibbuzim. Der essayistische Film, in dem Yael Abecassis, Jeanne Moreau und Hanna Schygulla mitwirken, ist auch eine Geschichte der israelischen Architektur. Die zweite gezeigte Arbeit des Filmemachers ist seine Dokumentation Carmel, eine Geschichte des symbolträchtigen Berges, auf dem einst die Kanaaniter Zuflucht fanden, später christliche Kreuzritter eine Festung bauten, und wo heute eine Shoppingmall errichtet wird.

Gesellschaft In der Nebenreihe »Venice Days« läuft Amir Manors Debüt Epilogue über den Alltag eines alten Ehepaares. Yosef Carmon und Rivka Gur spielen Beri und Hayuta, die beide fast 80 sind. Liebevoll gehen sie miteinander um, teilen ihre Tage und erleben zugleich den Wandel der Gesellschaft um sie herum. Sie halten fest an ihren Jugendträumen eines Israels der Gleichheit und des Wohlfahrtsstaates.

Dem Filmemacher gelingt mit diesem intimen Porträt, das durch seine eigenen Großeltern inspiriert wurde, eine Parabel auf Entfremdung und die Folgen eines blinden Konsumismus, der mit den Solidaritätsstrukturen, durch die Israel erst geschaffen wurde, die inneren Existenzgrundlagen des Staates zunehmend zerstört.

Eine Koproduktion mit palästinensischen Filmemachern ist Water, ein Episodenstück von acht Regisseuren, das von Kobi Mizrahi und Maya de Vries an der Universität von Tel Aviv entwickelt wurde. Aus verschiedenen Perspektiven werden Geschichten rund ums Wasser erzählt: über geteilte Quellen, orthodoxe Klempner, Bauern, die Ausgangssperren verletzen, um ihre Felder zu begießen, Kinder, die noch nie das Meer gesehen haben, einen arabischen Swimmingpoolpfleger und eine Schoa-Überlebende, die Augentropfen braucht.

Aufgegabelt

Plätzchen mit Halva

Rezepte und Leckeres

 05.12.2025

Kulturkolumne

Bestseller sind Zeitverschwendung

Meine Lektüre-Empfehlung: Lesen Sie lieber Thomas Mann als Florian Illies!

von Ayala Goldmann  05.12.2025

TV-Tipp

»Eigentlich besitzen sie eine Katzenfarm« - Arte-Doku blickt zurück auf das Filmschaffen von Joel und Ethan Coen

Die Coen-Brüder haben das US-Kino geprägt und mit vielen Stars zusammengearbeitet. Eine Dokumentation versucht nun, das Geheimnis ihres Erfolges zu entschlüsseln - und stößt vor allem auf interessante Frauen

von Manfred Riepe  05.12.2025

Köln

Andrea Kiewel fürchtete in Israel um ihr Leben

Während des Krieges zwischen dem Iran und Israel saß Andrea Kiewel in Tel Aviv fest und verpasste ihr 25. Jubiläum beim »ZDF-Fernsehgarten«. Nun sprach sie darüber, wie sie diese Zeit erlebte

 05.12.2025

Genf

Entscheidung gefällt: Israel bleibt im Eurovision Song Contest

Eine Mehrheit der 56 Mitgliedsländer in der European Broadcasting Union stellte sich am Donnerstag gegen den Ausschluss Israels. Nun wollen Länder wie Irland, Spanien und die Niederlande den Musikwettbewerb boykottieren

von Michael Thaidigsmann  04.12.2025

Medien

»Die Kritik trifft mich, entbehrt aber jeder Grundlage«

Sophie von der Tann schwieg bislang zur scharfen Kritik. Doch jetzt reagiert die ARD-Journalistin auf die Vorwürfe

 04.12.2025

Antisemitismus

Schlechtes Zeugnis für deutsche Schulen

Rapper Ben Salomo schreibt über seine Erfahrungen mit judenfeindlichen Einstellungen im Bildungsbereich

von Eva M. Grünewald  04.12.2025

Literatur

Königin Esther beim Mossad

John Irvings neuer Roman dreht sich um eine Jüdin mit komplexer Geschichte

von Alexander Kluy  04.12.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter, Imanuel Marcus  04.12.2025