Berlin

»Berlin verneigt sich«

Margot Friedländer (1921 - 2025) Foto: picture alliance/dpa/AFP Poll

In Berlin haben Politiker, Wegbegleiter, Freunde und engagierte junge Menschen an die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer und ihr Vermächtnis erinnert. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief zum Kampf für Toleranz und Menschlichkeit auf. »Margot Friedländer hat den Stab weitergereicht. Jetzt ist es an uns«, sagte Steinmeier am Mittwochabend in seiner Gedenkrede vor geladenen Gästen in der Berliner Philharmonie. Dass Verbrechen wie die von den Nationalsozialisten verübten nie wieder geschehen, habe Friedländer angetrieben. Das habe sie allen mitgegeben, vor allem jungen Menschen.

»Es ist an uns, die Erinnerung zu bewahren und weiterzugeben«, sagte Steinmeier. »Es ist an uns, in ihrem Sinne weiterzuarbeiten - und zu kämpfen für Toleranz, für Demokratie und für Menschlichkeit.« Der Gedanke Margot Friedländers, ihre Lebensgeschichte weiterzugeben und nachfolgende Generationen zu so etwas wie »Zweitzeugen« zu machen, sei ein Modell für die Zukunft, »für eine notwendige neue Form der Erinnerung und Erinnerungskultur«, so der Bundespräsident.

Friedländer war am 9. Mai im Alter von 103 Jahren in Berlin gestorben. Sie überlebte das Konzentrationslager Theresienstadt und damit als Einzige ihrer direkten Familie die Schoah. Nach dem Zweiten Weltkrieg wanderte sie zunächst in die USA aus. Erst nach mehr als sechs Jahrzehnten in New York kehrte sie im Alter von 88 Jahren in ihre Heimat Berlin zurück. Sie engagierte sich für Demokratie sowie gegen Antisemitismus, Rassismus und Ausgrenzung. Ihre letzte Ruhestätte fand sie auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee in einem Ehrengrab neben dem Grab ihrer Großeltern.

An der Gedenkfeier nahmen unter anderen auch Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, der frühere Bundespräsident Christian Wulff und Altbundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sowie Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) und weitere Kabinettsmitglieder teil. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, zählte ebenfalls zu den Gästen.

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sagte in seinem Grußwort, Berlin verneige sich vor seiner Ehrenbürgerin. »Margot Friedländer hat uns gezeigt, dass die Menschlichkeit über die Unmenschlichkeit siegt.« Sie habe einen Auftrag hinterlassen: »Wir dürfen nicht wegschauen, wir dürfen nicht vergessen, wir dürfen die Gräuel nicht verharmlosen oder relativieren«, sagte Wegner. »Wir müssen das Erinnern weitertragen, in die Schulen, in die Universitäten, in jede Familie und in jeden Freundeskreis.« Das sei ein Erbe, das alle verpflichte.

Der Hamburger Lehrer Hedi Bouden, der 2024 zu den ersten Trägern des Margot-Friedländer-Preises gehörte, würdigte Friedländer als »Jahrhundertzeugin«. Ihr Leben werde immer Hoffnung bleiben. Zugleich fragte Bouden kritisch: »Wie kann es sein, dass gesichert rechtsextreme Parteien, Organisationen, Magazine, Ideologien 80 Jahre nach Auschwitz in der Mitte unserer Gesellschaft hingenommen werden?« Man dürfe nicht darauf warten, dass andere aufstünden.

Der Sänger Max Raabe sang wie schon bei der Trauerfeier zur Beisetzung Friedländers das Lied »Irgendwo auf der Welt«. Auch jiddische Musik gehörte zum Programm. Zum Abschluss spielte das renommierte Swing Dance Orchestra unter Leitung von David Hermlin.

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