Kino

»Bros«: Die schwule Mainstream-Komödie

Luke Macfarlane (links) und Billy Eichner (rechts) Foto: picture alliance / Vianney Le Caer/Invision/AP

Die romantische Komödie ist tot! Wirklich? Das scheinen nicht nur Julia Roberts und George Clooney (plus Fans) anders zu sehen, wie gerade erst »Ticket ins Paradies« bewies. Auch Billy Eichner glaubt fest an das Genre - und hat für sein erstes eigenes Kinodrehbuch eine RomCom gewählt. Allerdings ist »Bros«, in dem der New Yorker Komiker auch die Hauptrolle spielt, kein ganz gewöhnlicher Film dieser Art. Denn im Zentrum stehen zur Abwechslung mal keine Heteros, sondern schwule Männer.

Suche Bobby (Eichner) ist Moderator, Autor und Aktivist, der gerade eine neue Stelle als Kurator des ersten großen LGBTQ+-Museums in New York antritt. Auf der Suche nach einer Beziehung ist er nicht zwingend, sondern eigentlich ganz happy damit, sich als Single zu zwanglosen Sex-Dates zu verabreden.

Reale Zufallsbegegnungen jenseits der Apps wecken trotzdem seine Neugier. So wie die mit Aaron (Luke Macfarlane), der ihm - nackter, durchtrainierter Oberkörper sei Dank - bei einer Party ins Auge fällt. Ein bisschen Flirten, ein Kuss, zu mehr führt die Sache erst einmal nicht. Und könnte damit auch wieder erledigt sein. Aber dann beschließen die beiden doch noch, ein wenig Zeit miteinander zu verbringen und sich kennenzulernen.

Dass Bobby und Aaron sich bestens verstehen und der Sex gut ist, heißt allerdings noch lange nicht, dass sie als Paar und in einer Beziehung funktionieren. Allzu viele Gemeinsamkeiten nämlich haben sie - jenseits einer gewissen Skepsis vor festen Bindungen - nicht.

Bobby ist als jüdischer New Yorker durchaus ein wenig neurotisch, redet ebenso schnell wie viel und fühlt sich schon seit der Kindheit derart wohl in seiner schwulen Haut, dass er seine Identität nie auch nur ein Mal versteckt hätte. Fitnessfan Aaron dagegen ist aus der Provinz zugezogen, steht (vermeintlich gay-untypisch) auf Countrymusik und die »Hangover«-Filme und versucht in der Regel, seine Homosexualität nicht allzu sehr »heraushängen zu lassen«. Konflikte sind also programmiert.

Entwicklung Die Entwicklung, die dieses ungleiche Paar bis zum natürlich nicht wahnsinnig überraschenden Ende durchmacht, entspricht in der Dramaturgie ziemlich genau dem, was man von einer romantischen Komödie erwartet. »Bros« orientiert sich an RomCom-Klassikern, und die bewährten Muster funktionieren auch in der schwulen Variante bestens.

Überhaupt ist das Drehbuch, das Eichner gemeinsam mit dem (übrigens heterosexuellen) Regisseur Nicholas Stoller geschrieben hat, überzeugend: Die Mischung aus albern und deftig à la Judd Apatow (hier als Produzent verantwortlich) und beiläufig-bissig wie in Eichners grandioser Comedy-Serie »Difficult People«, die es leider nie nach Deutschland schaffte, geht auf. Allein die popkulturellen Anspielungen (inklusive eines selbstironischen Gastauftritts von »WILL & GRACE«-Star Debra Messing) sind herrlich komisch.

Schwächen hat »Bros« bisweilen in den Szenen, die sich zu stark auf die Geschichte und Errungenschaften der LGBTQ+-Community konzentrieren. Hier wirkt der Film ein bisschen zu bemüht, sich der eigenen historischen Bedeutung zu vergewissern, die er als erste von einem großen Hollywoodstudio produzierte queere RomCom (noch dazu ohne heterosexuelle Schauspieler*innen im Ensemble) fraglos hat.

Das wäre gar nicht nötig gewesen, denn ein absolut erfreuliches, alles andere als gewöhnliches Kinoerlebnis ist die Komödie auch so: wunderbar witzig und universell zugänglich, gleichzeitig dezidiert queer, sowohl in den freizügigen Sexszenen wie in den Dialogen, in denen offene Beziehungen und der Gebrauch von Poppers ebenso verhandelt werden wie homophobe Jugenderfahrungen oder Renée Zellweger.

Am Ende ist man dann obendrein reichlich gerührt. Und das nicht nur, weil das in gelungenen romantischen Komödien nun mal üblich ist. Sondern auch angesichts der Tatsache, dass ein Film wie »Bros« im Jahr 2022 endlich im Kinomainstream möglich ist.

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  02.12.2025 Aktualisiert

TV-Kritik

Allzu glatt

»Denken ist gefährlich«, so heißt eine neue Doku über Hannah Arendt auf Deutsch. Aber Fernsehen, könnte man ergänzen, macht es bequem - zu bequem. Der Film erklärt mehr als dass er zu begeistern vermag

von Ulrich Kriest  02.12.2025

Streaming

Gepflegter Eskapismus

In der Serie »Call my Agent Berlin« nimmt sich die Filmbranche selbst auf die Schippe – mit prominenter Besetzung

von Katrin Richter  02.12.2025

Jean Radvanyi

»Anna Seghers war für mich ›Tschibi‹«

Ein Gespräch mit dem Historiker über die Liebesbriefe seiner Großeltern, Kosenamen und hochaktuelle Texte

von Katrin Richter  02.12.2025

TV-Kritik

Politisierende Ermittlungen

In »Schattenmord: Unter Feinden« muss eine arabisch-stämmige Polizistin den Mord an einem jüdischen Juristen aufklären

von Marco Krefting  02.12.2025

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Rache

»Trigger-Thema« für Juden

Ein Filmseminar der Jüdischen Akademie untersuchte das Thema Vergeltung als kulturelle Inszenierung

von Raquel Erdtmann  01.12.2025

Wuppertal

Schmidt-Rottluff-Gemälde bleibt in Von der Heydt-Museum

»Zwei Frauen (Frauen im Grünen)« von Karl Schmidt-Rottluff kann im Von der Heydt Museum in Wuppertal bleiben. Nach Rückgabe an die Erbin erwarb die Stadt das Bild von ihr. Vorausgegangen waren intensive Recherchen zur Herkunft

 01.12.2025

Dorset

»Shakespeare In Love« - Dramatiker Tom Stoppard gestorben

Der jüdische Oscar-Preisträger war ein Meister der intellektuellen Komödie. Er wurde 88 Jahre alt

von Patricia Bartos  01.12.2025