Fernsehen

Böse Bakterien, die vergast werden und Jiddisch sprechen

Foto: Screenshot: Youtube/Es War Einmal...Das Leben

Seit fast 30 Jahren läuft die populäre Zeichentrickserie Es war einmal … das Leben im deutschen Fernsehen, aktuell bei ARD-alpha. Online wird sie unter anderem bei Netflix gestreamt.

Mittels kindgerechter und unterhaltsamer Animationen wird darin anschaulich erklärt, wie der menschliche Körper aufgebaut ist, wie die Blutkörperchen durch die Adern gepumpt werden und auch, wie das körpereigene Immunsystem funktioniert. Die beliebte Serie wird seit 1986 in Frankreich produziert; seit September 1990 läuft sie auch im deutschen TV.

https://www.youtube.com/watch?v=zAb1BZ3HBLo#t=7m30s

Nach einem Bericht der Nachrichtenseite »Übermedien« steht Es war einmal … das Leben nun ganz plötzlich im Mittelpunkt einer Antisemitismusdebatte. In der dritten Folge der Serie mit dem Titel »Das Abwehrsystem« geht es nach rund sieben Minuten um die Staphylokokken. Im Film werden sie als blaue Geschöpfe mit dicken Nasen und grimmigem Gesichtsausdruck dargestellt.

KRANKHEITSERREGER Dazu erklärt ein Lehrer im Superman-Kostüm und mit der Nummer 7 auf der Brust seinen Schülern: »Die Bakterien, sie nisten sich in Schlupfwinkeln ein und vermehren sich. Dort rufen sie Krankheiten hervor wie Keuchhusten, Diphtherie, Tuberkulose und Hirnhautentzündung. Das sind ganz schlimme Finger, die Staphylokokken, denn sie haben es gelernt, gegenüber vielen Medikamenten unempfindlich zu sein. Um sie zu bekämpfen, muss man sich immer wieder etwas Neues einfallen lassen.«

Dann wird es grafisch: Aus einem kleinen bemannten Raumschiff, das offenbar ein weißes Blutkörperchen darstellen soll und über den Staphylokokken schwebt, tritt plötzlich blaues Gas aus. Es umhüllt die Geschöpfe recht schnell. Sie ringen nach Luft, fassen sich an den Hals. Im Todeskampf ruft schließlich einer der Krankheitserreger verzweifelt den jiddischen Satz »Oy vey gewalt«.

Eine offensichtliche Anspielung auf die Vergasung von Juden durch die Nationalsozialisten, die verstört. Aufgefallen ist sie in den 30 Jahren seit der Erstausstrahlung der Sendung nur wenigen. Seit 2014 steht die betreffende Folge auf YouTube und ist auch auf DVD erhältlich. 2018 berichtete bereits ein Blogger über den jiddischen Ausspruch. Doch erst jetzt wurde die seltsame Synchronisierung zum medialen Aufreger.

ORIGINAL Im französischen Original findet sich laut Produktionsfirma an der betreffenden Stelle nicht nur keine jiddische Wehklage, sondern überhaupt kein Ton. Auch die englische Synchronfassung verwendet keine Anspielungen auf die NS-Zeit.

Ein Verantwortlicher des NDR-Tochterunternehmens Studio Hamburg Enterprises, das die Serie betreut, zeigte sich auf eine Anfrage von »Übermedien« hin konsterniert.  »Es ist für uns ohne Zweifel nicht akzeptabel, eine in dieser Form tatsächlich leicht als antisemitisch interpretierbare Sequenz weiterhin unkommentiert zu vertreiben«, sagte Thore Vollert der Nachrichtenseite. Man werde nun prüfen, ob die Passage einfach überblendet werden könne.

Wie es überhaupt zu einem solchen Vorgang kommen konnte, sei nach so langer Zeit nicht mehr nachzuvollziehen.

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