Finale

Benis Welt

Ich habe einen neuen Freund. Er heißt Michael2020. Kennengelernt habe ich ihn auf eBay. Dort hatte ich vor ein paar Wochen Militärkrams von meinem Großvater selig versteigert. Der hatte es seinerzeit in der Schweizer Armee zum Hauptmann geschafft und während des Zweiten Weltkrieges die Schweizer Grenze zu Deutschland bewacht. Mit Erfolg, wie man weiß.

Orden hat man in der Schweizer Armee dafür nicht bekommen. Die Wehrmänner, die Weih-nachten 1943 nicht zu Hause feiern konnten, erhielten jedoch eine kleine Dose Schnupftabak. Die hatte ich auf eBay verhökert. Michael2020 bekam bei 10,50 Euro den Zuschlag und war darüber offenbar sehr glücklich.

Er schrieb mir eine lange Dank-Mail und wollte wissen, was ich so sammle. Ich sammle nichts, wollte aber nicht unhöflich sein und mailte knapp zurück: »Bücher«. »Was für Bücher?«, wollte Michael2020 wissen. Warum ich daraufhin schrieb »Militärbücher«, weiß ich nicht. Nicht nur ist es nicht wahr, ich hätte es auch besser sein lassen sollen. Denn prompt reagierte Michael2020 begeistert: »Toll!!! Ich sammle alles über Hitler/Mussolini. Suche auch Embleme der Hitlerjugend, Gauabzeichen usw. Kann man leider nicht über eBay handeln. Was haben Sie alles?«

tyrannen-Souvenirs Ich beschloss daraufhin, die Korrespondenz besser einzustellen. Doch Michael2020 ließ nicht locker: »Habe noch keine Antwort von Ihnen erhalten. Bin seriöser Sammler. Biete für Hitler/Mussolini-Waren Höchstpreise!!« Oh Gott! Am liebsten hätte ich Michael2020 auf meinem eBay-Account gesperrt. Doch dann sah ich, dass er noch bei weiteren Angeboten von mir mitbot, zum Beispiel für eine Bud-Spencer-DVD und einen schönen Pyrit-Mineral.

Was tun? Michael2020 die Wahrheit sagen, nämlich, dass bei mir Hitler-Sachen das Klo runtergespült werden – und einen guten Kunden verlieren? Oder mitspielen und behaupten, auch ich sei eingefleischter Sammler von Tyrannen-Souvenirs?

Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich zur zweiten Variante tendierte. Wir haben gerade einen finanziellen Engpass und brauchen jeden Cent, den wir bei eBay kriegen können. Also rief ich meinen nichtjüdischen Schwiegervater in Deutschland an, seit der Hochzeit vor sechs Jahren zum ersten Mal. Klaus, so heißt der Schwiegervater, war anfangs angenehm überrascht, meine Stimme zu hören. Bis ich fragte: »Klaus, hast du zufälligerweise Hitler-Sachen? Ich hab’ da einen Kunden, aber keine Ware!« Immerhin hat der Schwiegervater den Telefonhörer nicht sofort aufgelegt. Lange weiter mit mir reden wollte er aber auch nicht.

Was mache ich jetzt, um meinen Kunden zu behalten? Halt, mir fällt was ein. In einer Kiste im Keller habe ich noch eine leicht angerostete Original-70er-Jahre-KKL-Sammelbüchse in Blau-Weiß. Vielleicht kann ich ja Michael2020 überreden, sein Sammelgebiet etwas zu erweitern.

Kino

Düstere Dinosaurier, frisches Starfutter

Neuer »Jurassic World«-Film mit Scarlett Johansson läuft in Deutschland an

von Ronny Thorau  01.07.2025

Berlin

Ausstellung »Die Nazis waren ja nicht einfach weg« startet

Die Aufarbeitung der NS-Zeit hat in den vergangenen Jahrzehnten viele Wendungen genommen. Eine neue Ausstellung in Berlin schaut mit dem Blick junger Menschen darauf zurück

von Lukas Philippi  01.07.2025

München

Fritz-Neuland-Gedächtnispreis gegen Antisemitismus erstmals verliehen

Als Anwalt stand Fritz Neuland in der NS-Zeit anderen Juden bei. In München wird ein nach ihm benannter Preis erstmals verliehen: an Polizisten und Juristen, die sich gegen Antisemitismus einsetzen

von Barbara Just  30.06.2025

Forschung

Digitales Archiv zu jüdischen Autoren in der NS-Zeit

Das Portal umfasst den Angaben zufolge derzeit rund eine Million gespeicherte Informationen

 30.06.2025

Medien

»Ostküsten-Geldadel«: Kontroverse um Holger Friedrich

Der Verleger der »Berliner Zeitung« irritiert mit seiner Wortwahl in Bezug auf den jüdischen Weltbühne-Gründer-Enkel Nicholas Jacobsohn. Kritiker sehen darin einen antisemitischen Code

von Ralf Balke  30.06.2025

Berlin

Mehr Bundesmittel für Jüdisches Museum

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer betonte, sichtbares jüdisches Leben gehöre zur Mitte der Gesellschaft

 30.06.2025

Großbritannien

Nach Anti-Israel-Eklat bei Glastonbury: BBC gibt Fehler zu

Ein Musiker wünscht während einer BBC-Übertragung dem israelischen Militär von der Festival-Bühne aus den Tod. Die Sendung läuft weiter. Erst auf wachsenden Druck hin entschuldigt sich die BBC

 30.06.2025

Glastonbury-Festival

Anti-Israel-Parolen: Britischer Premier fordert Erklärung

Ein Musiker beim Glastonbury-Festival in England fordert die Menge dazu auf, Israels Militär den Tod zu wünschen. Der Vorfall zieht weite Kreise

 30.06.2025

Essay

Die nützlichen Idioten der Hamas

Maxim Biller und der Eklat um seinen gelöschten Text bei der »ZEIT«: Ein Gast-Kommentar von »WELT«-Herausgeber Ulf Poschardt

von Ulf Poschardt  29.06.2025