Glosse

Benis Welt

Bei uns in Zürich findet dreimal im Jahr eine Kleidersammlung statt. Die Leute stellen ihre gebrauchten Klamotten auf die Straße, wo sie abgeholt und nach Bulgarien, Rumänien und in andere osteuropäische Länder geschickt werden, um (hoffentlich) den Armen zugutezukommen. Natürlich wirft man im ordentlichen Zürich die Kleider nicht einfach als Bündel auf den Gehsteig, sondern legt sie manierlich in vorher verteilte weiße und gelbe Plastiksäcke. In die Weißen kommen Textilien, in die Gelben Schuhe.

Ich selbst beteilige mich nicht an der Kleidersammlung. Meine alten Sachen trage ich selbst auf. Mode interessiert mich nicht. Auch meiner Frau habe ich noch nie ein Kleidungsstück gekauft. Wozu auch? Sie trägt Röcke, ich Hosen, sie lebt in ihrer, ich in meiner Fashionwelt.

Nur vorige Woche bin ich von diesem Prinzip einmal abgewichen. Ich musste abends noch mal in die Schule, an der ich unterrichte, um Arbeiten fertig zu korrigieren. Auf dem Weg sah ich massenhaft weiße und gelbe Säcke. Vor dem Haus eines stadtbekannten Rabbiners lag ein besonders pralles gelbes Exemplar, so vollgestopft mit Kleidern, dass es fast platzte.

Frauenklamotten An diesem Abend hatte ich mich mit meiner Frau gestritten. Der Riesensack brachte mich auf eine Idee, wie ich den Ehefrieden wiederherstellen könnte. Ich packte das Ungeheuer unter den Arm und schleppte es in die Schule. Im Lehrerzimmer riss ich die Tüte auf, in der Hoffnung, darin etwas Schönes für meine Frau zu finden, als Versöhnungsgeschenk. Ich hatte Glück: Es purzelten tatsächlich jede Menge Frauenklamotten heraus.

Von meiner Frau weiß ich, dass sie Kleidergröße 38 trägt. Doch was bedeutet 3XL? Das stand nämlich auf dem Rock, den ich mit meinen Händen auseinanderdehnte. Oder war das eine Laubhütte? 3XL war offensichtlich nicht gleich 38.

Die Kleider der Rebbezin lagen auf dem Boden. Sogar die Nachthemden, mit denen die Rabbinergattin ihren Ehemann verführen oder einhüllen konnte. Was tun? Zurückpacken ging nicht. Der Plastiksack war zerrissen. Und es begann zu müffeln im Lehrerzimmer. Ich wurde nervös. Am besten, dachte ich mir, ich integriere Röcke, Pullover, Unterwäsche morgen in eine Unterrichtsstunde und werfe sie danach in den schuleigenen Container.

So hingen am nächsten Tag die Kleider der Rebbezin im Klassenzimmer. Schüleraufgabe: »Beschreibe ein Kleidungsstück und ordne ihm mindestens vier Adjektive zu!« Lehreraufgabe, eine Stunde später: »Herr Frenkel, begeben Sie sich zum Rektor! Einer ihrer Schüler hat die Kleider seiner Mutter wiedererkannt!«

Literatur

John Irvings »Königin Esther«: Mythos oder Mensch?

Eigentlich wollte er keine langen Romane mehr schreiben. Jetzt kehrt er zurück mit einem Werk über jüdische Identität und Antisemitismus

von Taylan Gökalp  18.11.2025

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  17.11.2025

TV-Tipp

»Unser jüdischer James Bond«

Die Arte-Doku »Der Jahrhundert-Spion« erzählt die schillernde Lebensgeschichte des Ex-CIA-Agenten Peter Sichel, der seinerzeit den Ausbruch des Kalten Kriegs beschleunigte

von Manfred Riepe  17.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  17.11.2025

Miss-Universe-Show

Miss Israel erhält Todesdrohungen nach angeblichem Seitenblick

Auch prominente Israelis sind immer öfter mit Judenhass konfrontiert. Diesmal trifft es Melanie Shiraz in Thailand

 17.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  17.11.2025

Jubiläum

Weltliteratur aus dem Exil: Vor 125 Jahren wurde Anna Seghers geboren

Ihre Romane über den Nationalsozialismus machten Anna Seghers weltberühmt. In ihrer westdeutschen Heimat galt die Schriftstellerin aus Mainz jedoch lange Zeit fast als Unperson, denn nach 1945 hatte sie sich bewusst für den Osten entschieden

von Karsten Packeiser  17.11.2025

Aufgegabelt

Noahs Eintopf

Rezepte und Leckeres

 16.11.2025

Kunst

Illustrationen und Israel-Hass

Wie sich Rama Duwaji, die zukünftige »First Lady von New York«, auf Social Media positioniert

von Jana Talke  13.11.2025