Finale

Ayalas Welt

Das Jüdische am Sex ist, dass man über Sex redet», hat Henryk M. Broder neulich dem Zeit-Magazin gesagt. Broder glaubt, dass Juden weniger verklemmt sind als Gojim. Den Zölibat hätte ein Jude niemals erfunden.

«Let’s talk about Sex» – so machte auch einmal ein jüdisches Familienmagazin auf, das mangels Finanzierung eingegangen ist. In dem Heft wurde erklärt, warum das Judentum, im Gegensatz zu anderen Religionen, eine grundsätzlich positive Einstellung zur Sexualität pflege. Sex sei im Judentum nicht Sünde, sondern Mizwa («Seid fruchtbar und mehret Euch»). Und schon Maimonides habe Sextips gegeben: «Die eigene Frau ist dem Mann gestattet, und mit ihr darf er tun, wie es ihm gefällt. Er darf mit ihr den Beischlaf ausüben, sie küssen, wo er möchte, und auf natürliche und unnatürliche Weise mit ihr schlafen … Man darf (die Frau) nicht zwingen, sondern nur mit beiderseitigem Einverständnis und wenn es ihnen Vergnügen macht.»

zweifel Das klingt sehr fortschrittlich, zumal für einen mittelalterlichen Toragelehrten. Dennoch beschleichen mich Zweifel, wenn manche Juden im Brustton der Überzeugung verkünden, in jüdischen Betten tobe das Leben, während die verklemmten Gojim angstschlotternd der Bestrafung ihrer sündigen Triebe harrten. Mir fällt dann ein Rabbiner aus den USA ein, den ich in einer Frauenjeschiwe in Jerusalem kennengelernt hatte. Mit dem Reden hatte der Rabbi, Vater von fünf Kindern, kein Problem. Oralsex – warum nicht? Allerdings dürfe der Samen nicht vergeudet werden. Sex zwischen Männern könne nicht befriedigend sein – das wusste der fromme Mann aus Gesprächen mit schwulen Jeschiwe-Bochern. Lesbischer Sex? Was hätten zwei Frauen einander denn zu geben? Auch Sex vor der Ehe und Selbstbefriedigung seien «out of the question!» Das Problem der Onanie stelle sich aber bei Talmudschülern selten, so mein Gesprächspartner, weil die Jingelach kein Verlangen hätten, ihren Samen zu vergeuden. Der Rabbi berichtete auch, dass er sich als ehrenamtlicher Berater bei einer Telefonhotline beworben hatte, die Schwule und Lesben «heilen» und auf den Weg zu Gott zurückführen will. Leider sei er nicht akzeptiert worden.

total normal Nun frage ich mich: Werden so unverklemmte Juden erzogen? Natürlich ist selbst dieser Rabbi fortschrittlicher als, sagen wir mal, die Piusbrüder – ganz abgesehen davon, dass sich die Mehrheit der Juden wenig darum schert, was Rabbiner von ihrem Sexleben halten.

Wahrscheinlich ist das, was sich in jüdischen Ehebetten abspielt, genauso gut oder miserabel wie der Sex, durch den der Rest der Menschheit entstanden ist. Glaube ich jedenfalls. Vielleicht sollte man Harald Martenstein befragen, der sich in der «Zeit»-Beilage als «Scheinjude» geoutet hat. (Manche Leser denken offenbar, «Martenstein» klinge jüdisch.) Über scheinjüdisches Sexleben hat der Autor sich allerdings ausgeschwiegen.

TV-Tipp

»Nürnberg 45 - Im Angesicht des Bösen«

Das Dokudrama rekonstruiert die Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesse vor 80 Jahren

von Jan Lehr  04.11.2025

Hollywood

Jesse Eisenberg will eine seiner Nieren spenden

Der Schauspieler hatte die Idee dazu bereits vor zehn Jahren

 03.11.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Herbstkaffee – und auf einmal ist alles so »ejn baʼaja«

von Nicole Dreyfus  02.11.2025

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 02.11.2025

Zahl der Woche

8 jüdische Gemeinden

Fun Facts und Wissenswertes

 02.11.2025

Aufgegabelt

Wareniki mit Beeren

Rezepte und Leckeres

 02.11.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Bettina Piper, Imanuel Marcus  02.11.2025

Debüt

Katharsis und Triumph

Agnieszka Lessmann erzählt in ihrem Roman über transgenerationales Trauma und das Gefühl des Ausgegrenztseins, aber auch von einer jungen Frau, die sich selbst wiederfindet

von Sara Klatt  02.11.2025

Hören!

»Song of the Birds«

Der Mandolinist Avi Avital nimmt sein Publikum mit auf eine emotionale Klangreise entlang des Mittelmeers

von Nicole Dreyfus  02.11.2025