Finale

Ayalas Welt

Ich fürchte, ich werde spießig. Früher habe ich am Wahltag bei den Parteien mein Kreuzchen gemacht, die soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz und Weltfrieden versprachen. Nun aber kann ich an nichts anderes mehr denken als mein Auto – Marke Golf IV, Baujahr 1997. Denn jeden Morgen machen die Regionalnachrichten mit der Zahl der Autos auf, die in der Nacht zuvor abgefackelt wurden. Und zwar nicht nur Nobelkarossen im Westend, sondern auch alte Blechkisten in öden Stadtteilen wie Treptow und Rudow.

Hunderte von Polizisten liegen auf der Lauer, doch bislang konnten sie den oder die »Feuerteufel« nicht finden. Die »bürgerlichen« Parteien kleben dramatische Wahlplakate mit ausgebrannten Pkw-Wracks; die »Nihilistische Tendenz der autonomen Gruppen« schickte dem CDU-Spitzenkandi daten Frank Henkel eine Briefbombenattrappe, als »Strafe« für die Autowrack-Plakate.

krokodil Ansonsten dümpelt der Wahlkampf zum Berliner Abgeordnetenhaus so vor sich hin. »Renate kämpft für Arbeitsplätze«, versprechen die Grünen – wo die Arbeitsplätze herkommen sollen, bleibt das Geheimnis der Frau Künast. Die FDP wirbt engagiert für die Integration von Deutschen in Frankreich (»Wir meinen, dass es eine nette Geste ist, in Paris nach Croissants statt nach Schrippen zu fragen«), und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hält sich aus allem raus.

Der oberste Berliner Sozialdemokrat lächelt stattdessen staatstragend von Plakatwänden, mal in Gesellschaft eines kleinen Mädchens, das ihm ein Spielzeugkrokodil ins Gesicht hält, dann wieder Arm in Arm mit einer alten Dame, der er sicherlich gleich über die Straße helfen will.

Im letzten Winter, als die Straßen wochenlang nicht vom Schnee geräumt wurden und alte Berlinerinnen sich bei Stürzen auf dem Eis die Beine brachen, hatte der Regierende noch mit dem Bonmot geglänzt: »Endlich Holiday on Ice auf dem Kudamm!«

Und wen wähle ich als freie jüdische Autorin? Ich habe in den Programmen der Parteien nach Entscheidungshilfen gesucht und wurde fündig. Die CDU hat das Existenzrecht Israels festgeschrieben. Die Liberalen verteidigen die Künstlersozialkasse. Endlich ein Grund, FDP zu wählen!

Ich kenne allerdings auch Juden, die auf Wowereit schwören, weil der jeden Winter mit den Lubawitschern so schön Hora tanzt um den Chanukkaleuchter am Brandenburger Tor. Wer weitere Wahlempfehlungen für Juden hat, kann sich gerne bei mir melden. Als Wechselwählerin bin ich dankbar für jede Entscheidungshilfe.

Yitzhak Rabin

Erinnerung an einen Mord

Wie ich am 4. November 1995 im Café Moment in der Jerusalemer Azza Street vom tödlichen Anschlag auf Israels Ministerpräsident in Tel Aviv erfuhr

von Ayala Goldmann  04.11.2025

TV-Tipp

»Nürnberg 45 - Im Angesicht des Bösen«

Das Dokudrama rekonstruiert die Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesse vor 80 Jahren

von Jan Lehr  04.11.2025

Hollywood

Jesse Eisenberg will eine seiner Nieren spenden

Der Schauspieler hatte die Idee dazu bereits vor zehn Jahren

 03.11.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Herbstkaffee – und auf einmal ist alles so »ejn baʼaja«

von Nicole Dreyfus  02.11.2025

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 02.11.2025

Zahl der Woche

8 jüdische Gemeinden

Fun Facts und Wissenswertes

 02.11.2025

Aufgegabelt

Wareniki mit Beeren

Rezepte und Leckeres

 02.11.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Bettina Piper, Imanuel Marcus  02.11.2025

Debüt

Katharsis und Triumph

Agnieszka Lessmann erzählt in ihrem Roman über transgenerationales Trauma und das Gefühl des Ausgegrenztseins, aber auch von einer jungen Frau, die sich selbst wiederfindet

von Sara Klatt  02.11.2025