Finale

Ayalas Welt

»Jews are news« lautet ein Journalistensprichwort. Es stimmt aber nicht immer. Neulich habe ich einen Kollegen getroffen, der von den Juden völlig frustriert war. Wochenlang, klagte der Mann, habe er nach einem Interviewpartner für eine Sendung mit dem Titel »Charismatisch und gläubig« gesucht. Aber in der Gemeinde habe sich niemand auch nur ein bisschen bemüht, ihm jemanden Passendes zu besorgen. Grimmig orakelte der TV-Mann: Irgendwann würden die Medien das Interesse an den Juden verlieren, wenn die ihnen PR-mäßig nicht stärker entgegenkämen.

Vielleicht hatte die Gemeinde aber gar keine Wahl. Oder kennen Sie charismatische Juden? Falls es welche geben sollte, kommt man ihnen auch als jüdische Journalistin nicht auf die Spur. Ich habe vor Kurzem selbst einen telegenen Interviewpartner gesucht und bei einer Rabbinerin nachgefragt. Die Frau winkte nur ab: Wenn sie alle Anfragen von Journalisten bearbeiten würde, hätte sie keine Zeit mehr für Gottesdienst und Seelsorge.

schabbat-feature Ähnlich ging es einer Radiojournalistin, die ein interreligiöses Feature zum Thema »Das Abendessen« machen wollte. Sie hatte einen Rabbiner gefragt, ob er ihr eine Familie nennen könne, bei der sie am Schabbatabend Aufnahmen machen könne. Der Rabbi teilte ihr in grantigem Ton mit, dass fromme Juden am Freitagabend keine Interviews geben. Die Kollegin war verzweifelt.

Nett, wie ich bin, erklärte ich mich bereit, ersatzweise zur Verfügung zu stehen. Allerdings warnte ich die Kollegin, dass unsere Familie schabbatmäßig nicht viel hergibt. Mein Mann ist Goi; außerdem kommt er freitags spät von der Arbeit. Mein Sohn und ich beginnen unser Schabbatessen deshalb meistens zu zweit in einer Küche, die nicht einmal ein Reformrabbiner als koscher bezeichnen würde. Die Journalistin hat dankend abgelehnt.

Ihr Pech, denn in letzter Zeit erlebt bei uns der Schabbatabend eine neue Blüte. Meinen Mann konnte ich endlich überzeugen, dass »Bore Pri Ha-Gafen« nicht »Zur Hölle mit den Ungläubigen« bedeutet. Ich verwende jetzt seine Weihnachtskerzen für die Schabbatleuchter. Er wiederum hat (aus Dank?) damit aufgehört, die Kerzen auszublasen, sobald ich den Raum verlasse – bisher hatte er Angst, ich könnte die Wohnung abfackeln.

Für die Hawdala-Zeremonie dagegen haben wir noch keinen privaten Ritus gefunden. »Gesegnet seist Du, unser Gott, ... der zwischen Heiligem und Nichtheiligem unterscheidet, zwischen Licht und Finsternis, zwischen Israel und den Völkern« – diesen Segen würde ich nicht einmal für eine interkulturelle Sendung beisteuern. Allerdings hat mich bisher auch kein Pressevertreter darum gebeten.

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  24.11.2025

TV-Tipp

Ein äußerst untypischer Oligarch: Arte-Doku zeigt Lebensweg des Telegram-Gründers Pawel Durow

Der Dokumentarfilm »Telegram - Das dunkle Imperium von Pawel Durow« erzählt auf Arte und in der ARD-Mediathek die Geschichte der schwer fassbaren Messengerdienst-Plattform-Mischung und ihres Gründers Pawel Durow

von Christian Bartels  24.11.2025

Nachruf

Das unvergessliche Gesicht des Udo Kier

Er ritt im Weltall auf einem T-Rex, spielte für Warhol Dracula und prägte mit einem einzigen Blick ganze Filme. Udo Kier, Meister der Nebenrolle und Arthouse-Legende, ist tot. In seinem letzten Film, dem Thriller »The Secret Agent«, verkörpert er einen deutschen Juden

von Christina Tscharnke, Lisa Forster  24.11.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  24.11.2025

Nürnberg

»Tribunal 45«: Ein interaktives Spiel über die Nürnberger Prozesse

Darf man die Nürnberger Prozesse als Computerspiel aufarbeiten? Dieses Spiel lässt User in die Rolle der französischen Juristin Aline Chalufour schlüpfen und bietet eine neue Perspektive auf die Geschichte

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Sderot

Zweitägiges iranisches Filmfestival beginnt in Israel

Trotz politischer Spannungen will das Event einen Dialog zwischen Israelis und Iranern anstoßen

von Sara Lemel  24.11.2025

Genetik

Liegt es in der Familie?

Eierstockkrebs ist schwer zu erkennen. Warum ein Blick auf den Stammbaum nützen kann

von Nicole Dreyfus  23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Ayala Goldmann  23.11.2025